Das Dampfhaus
dem Hause errichteten Galgen vollstreckt.«
»So lautete, fuhr Banks tiefbewegt fort, jener Tagesbefehl, der Punkt für Punkt zur Ausführung kam. Und doch, die bedauernswerthen Opfer athmeten ja nicht mehr – sie waren einmal ermordet, verstümmelt, zerfleischt! Als Oberst Munro, der zwei Tage nachher eintraf, den Versuch machte, von Lady Munro und deren Mutter Ueberreste zu entdecken, fand er nichts… nichts!«
Obige Mittheilungen hatte mir Banks vor unserer Ankunft in Khanpur gemacht, und jetzt begab sich der Oberst nach dem Platze, wo einst jenes entsetzliche Blutbad stattfand.
Vorher jedoch wollte er den Bungalow wiedersehen, in dem früher Lady Munro gewohnt und ihre Jugend verbracht, die Stätte, wo er sie zum letzten Male gesehen, die Schwelle auf der sie ihn zum letzten Male umarmt hatte.
Dieser Bungalow lag etwas abgesondert außerhalb der Vorstädte, unsern den militärischen Cantonnements. Ruinen, geschwärzte Mauerreste, einige umgehackte, jetzt verdorrte Bäume, das war Alles, was von dem früheren traulichen Heim noch übrig war. Der Oberst hatte von einer Wiederherstellung nichts wissen wollen. Nach sechs Jahren lag der Bungalow also noch ebenso da, wie ihn die Hände der Mordbrenner zugerichtet hatten.
Wir verbrachten eine Stunde an dieser vereinsamten Stelle. Sir Edward Munro ging stumm durch den Trümmerhaufen, der ihm so viele Erinnerungen wach rief. Er gedachte wohl der früheren glücklichen Zeiten, die ihm später nichts mehr wiedergeben konnte. Er sah wohl das junge Mädchen wieder, wie sie sich heiteren Sinnes in ihrem Geburtshause bewegte, in dem er sie dereinst kennen lernte, und zuweilen schloß er die Augen, um die Bilder seines Geistes besser zu erkennen!
Endlich aber wendete er sich plötzlich, doch als müsse er sich dabei Gewalt anthun, zurück und führte uns mit hinweg.
Banks hatte gehofft, der Oberst werde sich damit begnügen, jenen Bungalow zu besuchen… weit gefehlt! Sir Edward Munro mochte beschlossen haben, den bitteren Kelch bis zur Neige zu leeren. Nach der Wohnstätte Lady Munro’s wollte er auch die Kaserne wiedersehen, wo so viele Unschuldige, für welche seine heldenmüthige Frau sich damals so aufopferungsvoll abmühte, alle Schrecken einer Belagerung ausgehalten hatten.
Diese Kaserne lag in der Ebene vor der Stadt, und jetzt baute man eine Kirche an der Stelle, wohin sich seinerzeit die Einwohner von Khanpur flüchten mußten. Der Weg nach derselben führte auf einer macadamisirten, von schönen Bäumen beschatteten Straße hin.
Hier also hatte sich der erste Act der schauerlichen Tragödie abgespielt, hier lebten, litten und kämpften einst Lady Munro und ihre Mutter mit dem Tode, bis die Capitulation so viele Opfer den Händen Nana Sahib’s auslieferte, welche dieser schon einem schrecklichen Tode geweiht hatte, als der Verräther gelobte, sie heil und gesund nach Allahabad ziehen zu lassen. In der Umgebung des noch unvollendeten Baues gewahrte man da und dort Mauerüberreste als Zeugen für die Maßnahmen zur Vertheidigung, die General Wheeler getroffen hatte. 1
Oberst Munro stand lange regungslos und still vor diesen Ruinen. In der Erinnerung traten ihm wohl die Schauerscenen vor Augen, deren Schauplatz jene gewesen – nach dem Bungalow, wo Lady Munro so glücklich gelebt, die Kaserne, in der sie über alle Beschreibung gelitten hatte!
Jetzt war nur noch der Bibi-Ghar zu besuchen, jene Wohnstätte, aus der Nana einen Kerker gemacht hatte, wo einst jener Brunnenschacht gähnte, der die Leichen der Opfer seiner Grausamkeit bunt durcheinander aufnahm.
Als Banks den Oberst sich nach jener Richtung wenden sah, ergriff er dessen Arm, wie um ihn zurückzuhalten.
Sir Edward Munro blickte ihm gerade in’s Gesicht und sagte mit erschreckend ruhiger Stimme:
»Laß uns gehen!
– Munro, ich bitte Dich…
– So gehe ich allein!«
Hier half kein Widerstreben.
Wir begaben uns also nach Bibi-Ghar, vor dem wohl gepflegte und mit schönen Bäumen bestandene Gärten liegen.
Hier erhebt sich eine gothische achteckige Colonnade. Sie umschließt die Stätte des früheren Brunnens, dessen Mündung jetzt mit Steinen verdeckt ist. Letztere bilden eine Art Sockel mit einer Figur aus weißem Marmor, den Engel der Barmherzigkeit darauf, eines des letzten Werke des Meißels Marochetti’s.
Lord Canning, der General-Gouverneur von Indien zur Zeit der furchtbaren Empörung 1857, ließ dieses Todtendenkmal nach den Entwürfen des Genie-Obersten Yule errichten und
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