Das Dampfhaus
um des Himmels willen! Nicht schießen!«
Gleich darauf trat ein Mann aus der Falle.
Unser Erstaunen war so groß, daß wir die Armatur losließen, wodurch die Bohle zurückfiel und den Eingang auf’s Neue verschloß.
Indessen ging die so unerwartet erschienene Persönlichkeit auf Kapitän Hod zu, dessen Büchse noch immer nach der Brust des Fremdlings zielte, und sagte in ziemlich bestimmtem, von einer emphatischen Handbewegung begleitetem Tone:
»Wollen Sie gefälligst Ihr Gewehr aufrichten, mein Herr! Sie haben es hier nicht mit einem tarryanischen Tiger zu thun!«
– Mit wem haben wir denn die Ehre…? fragte da Banks, auf den Mann zutretend.
– Mit dem Naturforscher Mathias Van Guitt, Hauptlieferanten von Pachydermen. Tardigraden, Proboscidien, Raub-und anderen Säugethieren für die Handlungen der Herren Charles Rice in London und Hagenbeck in Hamburg.«
Darauf wies er mit der Hand auf unseren Kreis.
»Und die Herren?…
– Oberst Munro nebst dessen Reisegefährten, antwortete Banks, uns summarisch vorstellend.
– Auf einer Vergnügungsfahrt durch die Forsten des Himalaya! ergänzte der Händler gleich selbst. Ein herrlicher Ausflug, wahrhaftig! Ich mache Ihnen mein Compliment, meine Herren!«
Welch’ ein Original hatten wir da vor uns? Hätte man nicht glauben können, sein Gehirn habe durch die Einsperrung in der Falle etwas gelitten? War es ein Narr oder war der Mann bei Verstande? Welcher Kategorie von Zweihändern gehörte das Individuum an?
Wir sollten das nicht nur erfahren, sondern diese Persönlichkeit, die sich für einen Naturforscher ausgab und es in der That war, in der Folge auch noch weiter kennen lernen.
Herr Mathias Van Guitt, der Menagerie-Lieferant, trug eine Brille und mochte fünfzig Jahre zählen. Ein glattes Gesicht, blinzelnde Augen, eine gewaltige Nase, die ewige Bewegung des ganzen Körpers, seine jedem Satze, den er sprach, angepaßten, mehr als ausdrucksvollen Gesten drückten ihm unverkennbar den Stempel des bekannten alten Komödianten aus der Provinz auf. Wer ist nicht einmal solchen ergrauten Theaterhelden begegnet, deren ganzes, von dem Horizonte einer Rampe und eines Prospectes begrenztes Leben sich zwischen der »Hof-« und der »Gartenseite« eines wandernden Thespiskarrens abspielte? Unermüdliche Sprecher, gefährliche Gesticulatoren und höchst eingenommen für das werthe Ich, pflegen sie den nach rückwärts geworfenen Kopf möglichst hoch zu tragen, nur erscheint dieser im Alter oft so leer, daß man zu der Ueberzeugung kommt, er werde auch im kräftigen Lebensalter nicht besonders gefüllt gewesen sein. In Mathias Van Guitt stak so ein Stückchen eines verwitterten Bretterhelden.
Ich habe einige Male die lustige Anekdote von einem armen Teufel von Sänger gehört, der jedes Wort seiner Rolle mit der entsprechenden grobsinnlichen Geste begleiten zu müssen glaubte.
So z. B. in der Oper, »Masaniello« (das ist die Stumme von Portici), bewegte er bei der in vollem Brustton herausposaunten Stelle:
Wenn aus einem Fischer von Neapel…
den gegen die Zuschauer ausgestreckten Arm so, als ob er an einem Angelhaken einen zappelnden Hecht hängen hätte. Dann weiter bei den Worten:
Der Himmel einen Fürsten machen wollte…
erhob er die Hand nach dem Zenith, um auf den Himmel hinzuweisen, während die andere, zur Verbildlichung der Königskrone einen Kreis um das edle Haupt beschrieb –
Würde er, ein Rebell gegen des Schicksals Rathschluß…
dabei schien er mit Gewalt einem auf ihn wirkenden Drucke Widerstand zu leisten –
Seine Barke weiter treibend rufen…
hierzu endlich bewegte er beide Arme lebhaft von rechts nach links und umgekehrt, als handhabte er einen Bootsriemen, um seine Geschicklichkeit in der Führung eines Fahrzeuges zu beweisen.
Ganz ähnliche Gewohnheiten, wie jener Sänger, hatte nun auch der Händler Mathias Van Guitt. Er schmückte seine Rede gern mit den gewähltesten Phrasen und konnte für den Zuhörer, der sich nicht außer dem Bereiche seiner Handbewegungen zu halten wußte, leicht gefährlich werden.
Wie wir später aus seinem eigenen Munde hörten, war Mathias Van Guitt ursprünglich Professor der Naturwissenschaften am Museum von Rotterdam, dem sein Lehrstuhl nicht zugesagt hatte. Offenbar regte das Auftreten des würdigen Mannes schon jener Zeit die Lachmuskeln besonders an, und wenn jemals Schaaren von Zuhörern zu seinem Katheder strömten, so wollten diese offenbar weniger lernen,
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