Das Darwin-Virus
interessantes.«
Kaye war erstaunt, dass Subramanian sich ausschließlich auf die wissenschaftliche Seite konzentrierte; ihr klang das herausstechende, Besorgnis erregende Wort »Unruhen« in den Ohren.
»Ja, aber meine nächste Frage lautet: Warum entsteht bei Männern eine starke Immunantwort gegen die Viren anderer Männer, aber nicht gegen ihre eigenen, wenn die Glycoproteine der Virushülle, die Antigene, so einfach und unveränderlich sind, wie Sie in Ihrer Pressemitteilung behaupten?«
»Eine sehr gute Frage«, erwiderte Dr. Pong. »Haben wir Zeit für ein ganztägiges Seminar?«
Schwaches Gelächter. Pong fuhr fort: »Nach unserer derzeitigen Kenntnis beginnt die Reaktion beim Mann, nachdem das Virus in die Zelle eingedrungen ist. Mindestens ein Gen von SHEVA enthält kleine Abweichungen oder Mutationen, die zur Produktion von Antigenen an der Oberfläche bestimmter Zellen führen, bevor die eigentliche Immunreaktion einsetzt, und damit stellt sich der Organismus darauf ein …«
Kaye hörte nur mit halber Aufmerksamkeit zu. Immer wieder musste sie an Mrs. Hamilton und die anderen Frauen in der NIHKlinik denken. Abschaltung der menschlichen Fortpflanzung. Auf jeden Fehlschlag würden heftige Reaktionen folgen; auf den Wissenschaftlern ruhte eine gewaltige, ständig zunehmende Last.
»Oliver Merton vom Economist. Frage an Dr. Lang.« Kaye blickte auf und sah einen jungen, rothaarigen Mann im Tweedjackett, der das drahtlose Mikrofon in der Hand hatte. »Nachdem jetzt alle Gene auf den verschiedenen Chromosomen, die SHEVA codieren, von Mr. Richard Bragg patentiert wurden …« Merton sah auf seine Notizen. »Aus Berkeley, Kalifornien, Patent Nummer 8.564.094, erteilt von der USBehörde für Patente und Warenzeichen am 27.
Februar, also gerade gestern – wie will eine Firma da noch einen Impfstoff entwickeln, ohne Lizenzgebühren zu bezahlen?«
Nilson beugte sich zum Mikrofon auf dem Podium. »Ein solches Patent gibt es nicht, Mr. Merton.«
»Oh doch«, erwiderte Merton mit einem nervösen Zucken um die Nase, »und ich hatte gehofft, Dr. Lang könnte die Verbindungen zwischen ihrem verstorbenen Mann und Richard Bragg erläutern, ebenso wie die Frage, ob das zu ihrer derzeitigen Stellung bei Americol und den CDC passt.«
Kaye war wie vor den Kopf gestoßen und brachte kein Wort heraus.
Merton, voller Stolz auf die Verwirrung, die er gestiftet hatte, grinste.
Kaye ging hinter Jackson in den grünen Salon, gefolgt von Pong, Subramanian und den anderen Wissenschaftlern. Cross saß mit ernster Miene mitten auf einem großen blauen Sofa. Im Halbkreis um die Couch standen vier ihrer Staranwälte.
»Was zum Teufel hat das zu bedeuten?«, wollte Jackson wissen, wobei er mit einer weit ausholenden Armbewegung in Richtung des Podiums deutete.
»Der kleine Kläffer da draußen hat Recht«, sagte Cross. »Richard Bragg hat irgendjemanden beim Patentamt davon überzeugt, dass er die SHEVAGene früher als alle anderen sequenziert hatte. Den Patentantrag hat er schon letztes Jahr eingereicht.«
Kaye nahm das Fax mit dem Patent von Cross. Auf der Liste der Erfinder stand Saul Madsen; zu den Begünstigten gehörten EcoBacter und AKS Industries – die Firma, die EcoBacter aufgekauft und liquidiert hatte.
»Kaye, sagen Sie es mir jetzt, und bitte ehrlich«, sagte Cross.
»Haben Sie davon gewusst?«
»Nichts«, erwiderte Kaye. »Marge, ich weiß überhaupt nicht, was ich sagen soll. Ich habe Genorte ermittelt, aber ich habe die Gene nicht sequenziert. Saul hat den Namen Richard Bragg nie erwähnt.«
»Was bedeutet das für unsere Arbeit?«, tobte Jackson. »Lang, wie konnten Sie über so etwas nicht Bescheid wissen?«
»Wir sind damit noch nicht fertig«, sagte Cross. »Harold?« Sie sah den ihr am nächsten stehenden grauhaarigen Mann mit seinem makellosen Nadelstreifenanzug an.
»Wir werden es anfechten und uns dabei auf Genetron gegen Amgen berufen, ›Zufallspatente auf Retrogene im Mausgenom‹«, sagte der Anwalt. »Geben Sie uns einen Tag, dann haben wir ein Dutzend weitere Begründungen für die Aufhebung.« Er wandte sich an Kaye und fragte: »Bekommt AKS oder irgendeine Tochterfirma Bundesmittel?«
»EcoBacter hatte eine kleine staatliche Subvention beantragt«, erwiderte Kaye. »Sie wurde auch bewilligt, aber nie ausgezahlt.«
»Wir könnten die NIH veranlassen, sich auf das BayhDoleGesetz zu berufen. Danach stehen dem Staat Patentrechte für alle mit Steuergeldern unterstützten Projekte zu«,
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