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Das Darwin-Virus

Das Darwin-Virus

Titel: Das Darwin-Virus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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heute habe ich genug«, sagte Lipton, die ganz blass im Gesicht war. »Ich fahre zurück zu den CDC.«
    »Ich muss noch ein paar Gewebeproben mitnehmen«, antwortete Dicken.
    Lipton legte eine Hand auf die Autotür und erklärte: »Wir müssen es den Frauen in unserer Klinik sagen. Geschlechtskrankheiten hat keine von ihnen gehabt, aber alle hatten Windpocken und eine auch Hepatitis B.«
    »Wir haben keine Anhaltspunkte, dass Windpocken zu Problemen führen«, erwiderte Dicken.
    »Es ist ein Herpesvirus. Ihre Laborbefunde sind besorgniserregend, Christopher.«
    »Sie sind noch nicht vollständig. Du lieber Gott, fast jeder hat irgendwann einmal Windpocken, Pfeiffersches Drüsenfieber oder Erkältungsbläschen gehabt. Sicher sind wir bisher nur bei Genitalherpes, Hepatitis und möglicherweise AIDS.«
    »Trotzdem muss ich es ihnen sagen«, antwortete sie und knallte seine Autotür entschlossen zu. »Das hat mit Ethik zu tun, Christopher.«
    »Ja, ja«, erwiderte Dicken. Er löste die Handbremse und ließ den Wagen an. Aber plötzlich zog er ein angewidertes Gesicht, schaltete den Motor wieder aus und legte die Ellenbogen auf die Kante des offenen Fensters. Er versuchte zu entscheiden, was er in den nächsten Wochen am besten mit seiner Zeit anfangen sollte.
    In den Labors lief nicht alles nach Plan. Bei der Analyse der Gewebeproben von Feten und Plazenten aus Frankreich und Japan hatte sich eine Anfälligkeit für alle möglichen Herpesinfektionen gezeigt. Von den hundertzehn bisher untersuchten sekundären Feten hatte kein einziger die Geburt überlebt.
    Es war an der Zeit, einen Entschluss zu fassen. Die Gesundheitspolitik befand sich in einem kritischen Zustand. Entscheidungen und Empfehlungen standen an, und die Politiker würden auf die Empfehlungen so reagieren müssen, dass sie es einer zutiefst gespaltenen Wählerschaft erklären konnten.
    Wahrscheinlich würde es ihm nicht gelingen, die Wahrheit ans Licht zu bringen. Und derzeit schien die Wahrheit bemerkenswert weit entfernt zu sein. Wie konnte man etwas so Wichtiges wie ein bedeutsames Evolutionsereignis so erfolgreich aufs Abstellgleis schieben?
    Auf dem Beifahrersitz hatte er einen Haufen Briefe seiner Dienststelle in Atlanta gestapelt. Sie auf dem Flug zu lesen, hatte er keine Zeit gehabt. Er zog einen Umschlag heraus und fluchte halblaut. Wie kam es, dass er ihn nicht sofort gesehen hatte?
    Briefmarke und Handschrift zeigten es überdeutlich: Er war von Dr. Leonid Sugashvili aus Tiflis in Georgien.
    Er riss den Umschlag auf. Ein kleines Schwarzweißfoto auf Hochglanzpapier fiel ihm in den Schoß. Er betrachtete es aus der Nähe: stehende Gestalten vor einem baufälligen Holzhaus, zwei Frauen in Kleidern, ein Mann im Overall. Sie wirkten schmächtig und vielleicht auch geschwächt, aber genau konnte man es nicht sagen. Die Gesichter waren verschwommen.
    Dicken entfaltete den Begleitbrief.

    Lieber Dr. Christopher Dicken,
    dieses Foto wurde mir aus Atzharis AR geschickt, das Sie wahrscheinlich Adscharien nennen. Es wurde vor zehn Jahren in der Nähe von Batumi aufgenommen. Vermutlich handelt es sich um Überlebende der Säuberungsaktionen, für die Sie sich so stark interessiert haben. Es ist wenig darauf zu sehen. Angeblich sind die Betreffenden noch am Leben. Manche Leute sagen, sie seien in Wirklichkeit mit einem UFO gekommen, aber das glaube ich nicht.
    Ich werde nach ihnen suchen und Sie zu gegebener Zeit unterrichten. Geldmittel sind äußerst knapp. Ich wüsste Unterstützung durch Ihre Organisation, das NCID, sehr zu schätzen. Ich danke Ihnen für Ihr Interesse. Meines Erachtens sind sie keine »abartigen Schneemenschen«, sondern völlig echt! Das CDCBüro in Tiflis habe ich nicht informiert. Man hat mir gesagt, Sie seien derjenige, dem ich vertrauen könne.

    Mit den besten Grüßen
    Leonid Sugashvili

    Dicken sah sich das Foto noch einmal genau an. Keinerlei Anhaltspunkte. Phantome.
    Der Tod reitet auf einem bleichen Pferd, schlitzt links und rechts die Kinder auf, dachte er. Und ich muss mich mit Spinnern und geldgierigen komischen Käuzen herumschlagen.
52
    Baltimore
    Während Kaye duschte, rief Mitch bei sich zu Hause in Seattle an.
    Er tippte den Code des Anrufbeantworters ein und rief die Nachrichten ab: zwei Anrufe von seinem Vater, einer von einem Mann, der seinen Namen nicht nannte, und einer von Oliver Merton aus London. Mitch schrieb sich gerade die Telefonnummer auf, als Kaye, locker in ein Handtuch gehüllt, aus dem Bad kam.
    »Es

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