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Das Darwin-Virus

Das Darwin-Virus

Titel: Das Darwin-Virus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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anfangen; einen besseren Zeitpunkt gibt es nicht. Sie konnte sich eine Stelle an einem Universitätsinstitut suchen, Mittel für ein zu ihr passendes Grundlagenforschungsprojekt beantragen und diesem blöden Mäusezirkus – im wahrsten Sinne des Wortes – entkommen.
    Aber Saul war so liebevoll, so gut drauf gewesen, als sie aus Georgien zurückkam. Es schien, als habe der Aufsatz über Evolution sein Interesse an der Wissenschaft unabhängig vom Profit wieder geweckt. Und dann … die Rückschläge, die Entmutigung, die tödliche Spirale, die den bösen Saul neu erweckt hatten.
    Mit dem, was sich vor acht Monaten abgespielt hatte, wollte sie sich nicht noch einmal auseinander setzen. Bei Sauls schlimmstem Zusammenbruch war auch sie an ihre Grenzen gestoßen. Nach seinen beiden Selbstmordversuchen war sie erschöpft und – mehr als sie es sich selbst eingestehen mochte – verbittert gewesen. In ihrer Fantasie hatte sie sich ausgemalt, mit anderen Männern zusammenzuleben, mit ruhigen, normalen Männern, mit Männern, die eher in ihrem Alter waren.
    Von solchen Wünschen, solchen Träumen hatte sie Saul nie etwas gesagt; sie fragte sich, ob sie vielleicht selbst einen Psychiater aufsuchen sollte, hatte sich dann aber dagegen entschieden. Saul hatte zigtausend Dollar für psychiatrische Behandlungen ausgegeben und sich fünf Mal einer medikamentösen Therapie unterzogen, wobei er ein Mal völlig die Sexualfunktion einbüßte und wochenlang nicht mehr klar denken konnte. Wunderarzneien halfen bei ihm nicht.
    Was blieb ihnen noch, was blieb ihr noch an Reserven, wenn die Zeiten sich wieder änderten und sie den Guten Saul verlor? In schlechten Zeiten in seiner Nähe zu sein, hatte bei ihr auch an einer anderen Reserve gezehrt – an der spirituellen Reserve, die in ihrer Kindheit entstanden war, als die Eltern ihr gesagt hatten: Du bist selbst verantwortlich für dein Leben, für das, was du tust. Gott hat dir bestimmte Gaben mitgegeben, wunderbare Hilfsmittel …
    Sie wusste, dass sie gut war; früher war sie selbstständig gewesen, stark, von sich überzeugt, und so wollte sie sich auch jetzt wieder fühlen.
    Saul hatte einen äußerlich gesunden Körper und einen scharfen Verstand, aber zu manchen Zeiten konnte er, ohne dass es seine Schuld war, sein Dasein nicht mehr steuern. Was besagte das über Gott und die erhabene Seele, das Ich? Wenn schon ein paar chemische Stoffe so vieles durcheinander bringen konnten.

    Kaye hatte zu der Sache mit Gott, zum Glauben nie eine starke Bindung gehabt. Der Anblick der Verbrechen in Brooklyn hatte ihren Glauben an jede Art von Märchenreligion zu stark strapaziert – strapaziert und dann ausgelöscht.
    Aber ihr letzter spiritueller Halt, ihr letzter Anker in der Welt der Ideale, war die Überzeugung, dass jeder Mensch selbst über sein Verhalten bestimmt.
    Sie hörte jemanden ins Labor kommen. Das Licht ging an. Als sie sich umdrehte, schabte der kaputte Stuhl über den Fußboden.
    Es war Kim.
    »Ach hier bist du!«, sagte sie mit bleichem Gesicht. »Wir haben dich schon überall gesucht.«
    »Wo sollte ich sonst sein?«, fragte Kaye. Kim hielt ihr ein schnurloses Telefon hin. »Jemand ruft von eurem Haus aus an.«
18
    Centers for Disease Control and Prevention, Atlanta
    »Mr. Dicken, das ist kein Baby. Es wäre niemals ein Baby geworden.«
    Dicken überflog die Fotos und Analysen der Fehlgeburt aus dem Crown City Hospital. Tom Scarrys mitgenommener alter Metallschreibtisch stand seitlich in einem kleinen Zimmer mit blassblauen Wänden, das ansonsten mit Computerterminals vollgestellt war; es lag neben Scarrys Labor für Viruspathologie im Gebäude 15. Die Tischplatte war mit Disketten, Fotos und Ordnern voller Fachartikel übersät. Irgendwie gelang es Scarry, Ordnung in seinen Projekten zu halten; er war an den CDC einer der besten Gewebeanalytiker.
    »Was ist es dann?«, fragte Dicken.
    »Es dürfte anfangs ein Fetus gewesen sein, aber fast alle inneren Organe sind stark unterentwickelt. Die Wirbelsäule hat sich nicht geschlossen – man könnte es als Spina bifida deuten, aber hier zweigt eine ganze Reihe von Nerven zu einer Follikelmasse ab, und die liegt an der Stelle, wo sonst die Bauchhöhle ist.«
    »Follikel?«
    »Wie ein Eierstock. Aber einer, der nur ein Dutzend Eizellen enthält.«
    Dicken zog die Augenbrauen zusammen. Scarrys angenehm gedehnte Sprechweise passte zu seinem freundlichen Gesicht, aber es war ein eher trauriges Lächeln.
    »Dann … wäre es also

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