Das Dekameron
und war am Ende ganz zufrieden, daß ihre Tochter eine glückliche Nacht gehabt, gut geschlafen und obendrein die Nachtigall gefangen habe. Auch dauerte es nach diesem Gespräch nicht mehr lange, so erwachte Ricciardo. Als er sah, daß der helle Tag schon angebrochen war, hielt er sich für verloren, weckte Caterina und sagte: »Was soll nun aus uns werden, mein Herz? Der Tag ist schon gekommen, und ich bin noch hier?« Bei diesen Worten trat Messer Lizio hinzu, hob den Vorhang auf und sagte: »Wir werden es schon machen.« Als Ricciardo diesen erblickte, war es ihm nicht anders, als würde ihm das Herz aus dem Leibe gerissen. Sogleich setzte er sich im Bette auf und sagte: »Ach, Herr, um Gottes willen, ich bitte Euch um Gnade. Ich erkenne, daß ich als ein nichtswürdiger, böser Mensch den Tod verdient habe. Macht also mit mir, was Euch immer beliebt. Dennoch aber bitte ich Euch, wenn es sein kann, mir das Leben aus Gnade zu schenken und mich nicht umzubringen.« Darauf antwortete Messer Lizio: »Ricciardo, das habe ich mit der Liebe und dem Vertrauen, das ich zu dir hegte, nicht um dich verdient. Da es nun aber einmal so ist und deine Jugend dich zu einem solchen Vergehen verleitet hat, so nimm nun, um dich vor dem Tode, mich aber vor der Schande zu retten, Caterina zu deiner rechtmäßigen Gemahlin, und dann mag sie so, wie sie heute nacht die Deine gewesen ist, ihr ganzes Leben über es bleiben. Auf diese Weise allein kannst du mich wieder versöhnen und dir selbst dein Leben retten. Bist du aber nicht gesonnen, so zu tun, dann beeile dich, deine Seele Gott zu befehlen.«
Während dieses Gespräches hatte Caterina die Nachtigall fahren lassen und sich zugedeckt. Nun aber weinte sie bitterlich und bat zum einen ihren Vater, dem Ricciardo zu vergeben, zum ändern aber auch den letzteren zu tun, was Messer Lizio verlangte, damit sie dann noch lange dergleichen Nächte in allem Frieden genießen könnten. Indes bedurfte es dazu nicht erst vieler Bitten. Scham wegen des begangenen Fehltritts und der Wunsch, ihn wiedergutzumachen, Furcht vor dem Tode und das Verlangen nach Rettung und endlich die glühende Liebe und die sehnliche Lust, den geliebten Gegenstand zu besitzen, bewogen ihn insgesamt, sich aus freien Stücken und ohne langes Besinnen zu allem bereit zu erklären, was Messer Lizio begehrte. Darauf ließ dieser sich von Madonna Giacomina einen Ring leihen, mit dem Ricciardo in beider Gegenwart gleich an Ort und Stelle sich der Caterina ehelich verloben mußte. Erst nachdem dies geschehen war, ließen Messer Lizio und seine Gemahlin die Neuvermählten allein, und zwar mit den Worten: »Ruht euch nun aus, denn das wird euch vielleicht wohler tun, als aufzustehen.«
Kaum waren jene beiden fortgegangen, so umarmten sich die jungen Leute aufs neue und fügten zum Beschluß der ersten Tagereise den sechs Meilen, die sie während der Nacht zurückgelegt hatten, noch zwei andere hinzu, ehe sie aufstanden. Nachdem darauf Ricciardo sich mit Messer Lizio noch ausführlicher besprochen hatte, vermählte er sich wenige Tage später nach hergebrachter Sitte und in Gegenwart der Freunde und Verwandten abermals mit Caterina, führte sie mit vielen Festlichkeiten in seine Heimat, wo er eine prächtige, ehrenvolle Hochzeit ausgerichtet hatte, und ging dann in Ruhe und Freuden, bei Tag und bei Nacht, soviel es ihm nur beliebte, noch lange mit ihr auf den Nachtigallenfang.
Fünfte Geschichte
Guidotto von Cremona vertraut sterbend dem Giacomino von Pavia seine Pflegetochter an. Giannole di Severino undMinghino diMingole verlieben sich zu Faenza beide in sie und werden darüber miteinander handgemein. Endlich wird entdeckt, daß das Mädchen eine Schwester des Giannole ist, undMinghino erhält sie zur Frau.
Über die Geschichte von der Nachtigall hatten die Mädchen, während Filostrato erzählte, so sehr gelacht, daß sie auch nun, da er zu reden aufgehört hatte, des Lachens kein Ende finden konnten. Nachdem sie aber ihrer Lachlust eine Weile freien Lauf gelassen hatten, sagte endlich die Königin: »Wahrlich, betrübtest du uns gestern, so hast du uns heute zu solchem Lachen gekitzelt, daß sich keine mit gutem Grund mehr über dich beschweren kann.« Darauf richtete sie ihre Worte an Neifile und gebot ihr fortzufahren. Diese aber begann mit freundlichem Munde also zu reden:
Da Filostrato uns in seiner Geschichte nach der Romagna geführt hat, so beliebt es auch mir, in meiner Erzählung jene Landschaft
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