Das Dekameron
von Kaiser Friedrich eingenommen und dabei geplündert wurde, mit einigen seiner Gefährten in ein Haus eingedrungen sei, das sie zwar voller Sachen, aber von den Einwohnern verlassen gefunden hätten. Nur ein Kind von etwa zwei Jahren sei zurückgeblieben und habe ihm, wie er die Treppen hinaufgekommen sei, >Yater< entgegengerufen. Dadurch zum Mitleid bewogen, habe er das kleine Mädchen nebst den übrigen Sachen, die er dort im Hause vorgefunden, mit sich nach Fano genommen. Dasselbe Mädchen nun hinterließ er mir bei seinem Tode mit allem, was er hatte, und trug mir auf, es zu verheiraten, wenn die Zeit dafür gekommen sei, und ihm alsdann alles, was sein gewesen, zur Mitgift zu geben. Nun wäre sie zwar alt genug, um zu heiraten, noch aber habe ich keinen gefunden, der mir genehm gewesen wäre. Doch käme ich gern bald dazu, damit Vorfälle wie die von gestern abend sich nicht wiederholen können.«
Unter den Anwesenden war ein gewisser Guiglielmo aus Medicina, der sich genau erinnerte, was für ein Haus es gewesen war, das Guidotto ausgeplündert hatte. Und da er den Eigentümer desselben ebenfalls dort gegenwärtig sah, trat er zu ihm und sagte: »Bernabuccio, hörst du wohl, was Giacomino da sagt?« »Freilich«, erwiderte Bernabuccio, »und eben denke ich genauer über die Sache nach; denn ich erinnere mich sehr wohl, daß ich in der damaligen Verwirrung eine Tochter gerade in dem Alter, das Giacomino angab, verlor.« »Gewiß, das muß sie sein«, entgegnete Guiglielmo, »denn ich habe selbst einmal gehört, wie Guidotto das Haus beschrieb, wo er zu jener Zeit geplündert habe, und daraus ganz deutlich entnommen, daß es das deinige gewesen ist. Besinne dich also, ob du sie an keinem Zeichen wiederzuerkennen weißt, und dann schicke nach ihr, und du wirst ohne Zweifel finden, daß sie deine Tochter ist.«
Bernabuccio sann eine Weile nach und entsann sich am Ende wirklich, daß sie über dem linken Ohr eine kreuzförmige Narbe haben müsse, die entstanden war, als er ihr kurz vor jenem Ereignis dort ein kleines Gewächs hatte ausschneiden lassen. So ging er denn, ohne weiter zu zögern, auf Giacomino zu, der noch anwesend war, und bat ihn, daß er ihn mit sich nach Hause nehmen und ihm das Mädchen zeigen möge. Giacomino war gern dazu bereit und ließ das Mädchen rufen, sobald sie in sein Haus gekommen waren. Als Bernabuccio sie aber zu sehen bekam, war es ihm, als sähe er die Züge der Mutter, die noch eine schöne Frau zu nennen war, leibhaftig vor sich. Ohne sich indes damit zu beruhigen, bat er Giacomino um die Erlaubnis, ihr die Haare über dem linken Ohr ein wenig aufheben zu dürfen, was dieser auch gestattete. Bernabuccio trat zu dem Mädchen, das verlegen und beschämt dastand, und hatte ihm kaum mit der rechten Hand die Haare ein wenig gelüftet, als er auch schon das Kreuz erblickte und sich durch dieses Zeichen völlig überzeugte, daß es wirklich seine Tochter sei. Sogleich umarmte er sie unter vielen Tränen, wie sehr sie sich auch sträuben mochte, und sagte, zu Giacomino gewandt: »Teuerster Bruder, das Mädchen ist meine Tochter; das Haus, das Guidotto geplündert hat, war das meinige, in dem meine Frau bei dem plötzlichen Schrecken das Kind vergessen hatte, und bis heute haben wir alle geglaubt, es sei an jenem Tage, wo mein Haus verbrannte, ebenfalls ein Raub der Flammen geworden.«
Als das Mädchen diese Worte vernahm, maß es ihnen Glauben bei, teils weil es den Sprecher schon bei Jahren sah, teils weil sich in seinem Herzen eine verborgene Stimme regte, und es fing, von nicht minderer Rührung ergriffen, gleichfalls zu weinen an. Bernabuccio schickte schnell nach ihrer Mutter und den ändern Frauen der Verwandtschaft, sowie nach den Schwestern und Brüdern, zeigte sie ihnen allen, erzählte ihnen, was geschehen war, und führte sie dann nach tausend Umarmungen unter großen Festlichkeiten und mit voller Zustimmung des Giacomino in sein Haus.
Als diese Neuigkeiten dem Stadthauptmann, der ein wohlgesinnter Mann war, bekannt wurden, beschloß er, dem Giannole, den er noch gefangenhielt und der als Bernabuccios Sohn des Mädchen leiblicher Bruder war, sein Vergehen für diesmal ungestraft hingehen zu lassen. Daher redete er dem Bernabuccio wie dem Giacomino zu und brachte es glücklich dahin, daß dem Giannole wie dem Minghino verziehen und dem letzteren zu größerer Freude der Anverwandten das Mädchen, welches Agnesa hieß, verlobt wurde, worauf er dann auch den Crivello und die
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