Das Dekameron
Besatzung gehalten hat.
Solch ein Einfaltspinsel ist Tindaro, daß er sich einbildet, die Mädchen seien dumm genug, ihre Zeit zu verlieren und auf die Erlaubnis ihrer Väter und Brüder zu warten, die unter sieben Malen sechsmal ihre Verheiratung drei oder vier Jahre länger verschieben, als sie sollten. Mein Schatz, da wäre schön für sie gesorgt, wenn sie so lange zögern wollten. Nein, wahrlich, beim wahrhaftigen Glauben - und wenn ich schwöre, dann weiß ich, was ich rede -, unter allen meinen Bekannten ist auch nicht eine, die als Jungfrau ins Ehebett gestiegen wäre, und wie oft und wie arg die Verheirateten ihren Männern Hörner aufsetzen, davon weiß ich auch ein Lied zu singen. Dieses Erzschaf aber will mich Weiber kennen lehren, als ob ich gestern erst zur Welt gekommen wäre.«
Während Licisca noch also redete, verführten die Damen solch lautes Gelächter, daß man ihnen hätte bequem sämtliche Zähne ausziehen können. Wohl sechsmal gebot die Königin der Schwatzenden Stillschweigen; doch war es umsonst, und sie ruhte nicht eher, als bis sie alles, was sie sagen wollte, gesagt hatte. Da sie aber endlich von selbst zu reden aufhörte, sagte die Königin lächelnd, zu Dioneo gewendet: »Dioneo, das ist nun deine Sache. Sorge also, wenn unsere Geschichten für heute beendet sein werden, daß du endgültig unter den Streitenden entscheidest.« Hierauf antwortete sofort Dioneo: »Madonna, der Urteilsspruch ist gefällt, ohne daß ich mehr zu hören brauche, denn ich erkläre, daß Licisca recht hat, und halte dafür, daß Tindaro, ganz so wie sie gesagt hat, ein Einfaltspinsel ist.« Sobald Licisca diese Entscheidung vernahm, begann sie zu lachen und sagte zu Tindaro gewandt: »Geh, geh mit Gott, guter Freund. Du denkst dich klüger als mich und bist noch nicht trocken hinter den Ohren! Nun, Gott sei Dank, umsonst habe ich nicht gelebt...« Und hätte ihr die Königin nicht zürnenden Blickes Stillschweigen auferlegt und weiteres Lärmen und Gerede bei Strafe des Staupbesens verboten, so hätten sie den ganzen Tag nichts anderes getan als ihr Geschwätz anhören. So aber hieß sie beide sich entfernen, und als sie gegangen waren, gebot sie Filomena, mit dem Erzählen zu beginnen, und diese fing fröhlich zu reden an:
Erste Geschichte
Ein Edelmann sagt zu Madonna Oretta, er wolle ihr den Weg durch eine Geschichte so sehr verkürzen, daß sie glauben werde, sie sitze zu Pferde. Als er sie darauf ungeschickt erzählt, bittet sie ihn, daß er sie wieder absteigen lasse.
Wie in hellen Nächten die Sterne der Schmuck des Himmels und im Frühling die Blumen die Zierde der grünen Wiesen und die neubelaubten Bäume der Schmuck der Hügel sind, so, ihr jungen Mädchen, gereichen glückliche Einfalle den lobenswerten Sitten und verständigen Reden zu besonderer Zier. Weil aber ein Witzwort seiner Natur nach kurz ist, so kleidet es uns Frauen in eben dem Maße besser, in dem viel zu sprechen uns weniger als den Männern ziemt. Wahr ist freilich, daß zur gemeinsamen Schande für uns alle (möge nun die Schuld in der Dürftigkeit unseres Verstandes oder in einer besonderen Ungunst der Gestirne, die über unser Jahrhundert verhängt ist, zu suchen sein) jetzt nur wenig Frauen zu finden sind, ja vielleicht keine, die zur rechten Zeit einen guten Einfall zu sagen, oder wenn ein anderer dergleichen gehabt, ihn gehörig aufzufassen vermöchte. Weil indes Pampinea darüber früher schon hinlänglich gesprochen hat, so denke ich nichts weiter darüber zu sagen. Wohl aber will ich, um euch zu zeigen, wieviel Hübsches in einem guten Einfall zur rechten Stunde liegt, berichten, wie eine Dame geschickt einem Edelmann Stillschweigen zu gebieten wußte.
Wie manche von euch aus eigener Erfahrung oder doch vom Hörensagen wissen mag, weilte vor noch nicht langer Zeit in unserer Stadt eine Edeldame, die von erlesenen Sitten und der Rede kundig war. Da ihre rühmlichen Eigenschaften nicht verdienen, daß ihr Name verschwiegen werde, will ich euch berichten, daß sie Madonna Oretta hieß und des Messer Geri Spina Gemahlin war. Nun geschah es zufällig, als sie einmal, so wie auch wir eben tun, auf dem Lande verweilte, daß sie mit mehreren anderen Damen und Edelleuten, die sie an jenem Tage bewirtet hatte, zu ihrem Vergnügen von einem Orte zum ändern lustwandelte. Da indes die Entfernung zwischen ihrem Ausgangsort und dem Ziel, das sie sämtlich zu Fuß erreichen wollten, vielleicht etwas groß war, sagte
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