Das Dekameron
getan;
Denn ihr nur untertan
Ist jede Kraft, wenn ich an sie gedacht,
Die neue Seufzer in mir angefacht.
So bin ich denn von deiner Macht gefangen,
O teurer Herr, erwarte nur von dir,
Daß Lohn mich einst erfreue.
Ist aber wohl mein glühendes Verlangen,
Das du entzündet hast, gekannt von ihr,
Und jene feste Treue,
Die einzig ich ihr weihe?
Verschmäh ich doch, weil ganz in ihrer Macht,
Sogar den Frieden, den nicht sie gebracht.
Kennt sie es nicht, o süßer Herr, so bitt ich,
Daß du's ihr schilderst, und ein Fünkchen Glut
Ihr leihst, mit mir im Bunde.
Du weißt es ja, mich selbst verzehrend litt ich
Schon lange herbe Qual; es rinnt mein Blut
Aus immer offner Wunde.
Und dann zu guter Stunde
Sei ihr mich zu empfehlen du bedacht. -
Wie gern hätt ich den Weg mit dir gemacht!
Als das Schweigen des Dioneo anzeigte, daß sein Lied zu Ende war, ließ zwar die Königin noch viele andere singen, erteilte aber Dioneos Lied großes Lob. Inzwischen war schon ein Teil der Nacht verstrichen, und da die Königin wahrnahm, daß nunmehr die Nachtfrische der Wärme des Tages obsiegte, befahl sie, daß bis zum ändern Morgen ein jeder nach seinem Gefallen zur Ruhe gehe.
ES SCHLIESST DES DEKAMERON FÜNFTER TAG, UND ES BEGINNT DER SECHSTE, AN DEM UNTER ELISAS REGIMENT VON DENEN ERZÄHLT WIRD, DIE DURCH EIN GESCHICKTES WORT FREMDE NECKEREIEN ZURÜCKGEGEBEN ODER DURCH KÜHNES ERWIDERN UND SCHNELLEN ENTSCHLUSS EINEM VERLUST, EINER GEFAHR ODER KRÄNKUNG ENTGANGEN SIND.
Der Mond, der an des Himmels Mitte stand, hatte seine Strahlen verloren, und der anbrechende neue Tag erhellte unsere Welt in jedem ihrer Teile, als die Königin sich von ihrem Lager erhob und ihre Gesellschaft zusammenrufen ließ. Langsamen Schrittes auf dem tauigen Grase lustwandelnd, entfernten sich alle unter mannigfachen Gesprächen ein wenig von dem schönen Hügel. Bald stritten sie über den größeren oder geringeren Wert der erzählten Geschichten, bald belachten sie aufs neue die verschiedenen Zufälle, die in jenen berichtet worden waren. Weil aber inzwischen die Sonne schon hoch gestiegen war und die Wärme beschwerlich zu werden begann, schien es ihnen ratsam, wieder heimzukehren, und so lenkten sie ihre Schritte, die sie bald zu ihrem Aufenthaltsorte führten, zurück.
Hier fanden sie die Tische bereits gedeckt und den Fußboden mit wohlriechenden Kräutern und schönen Blumen ganz übersät, worauf sie nach dem Geheiß der Königin sich alsbald zu Tische setzten, bevor die Hitze noch weiter zunahm. Als das heitere Mahl beendet war und die Gesellschaft noch ein paar schöne und ergötzliche Liedlein gesungen hatte, legte der eine sich schlafen, und der andere vertrieb sich mit Schach- oder Brettspiel die Zeit; Dioneo aber und Lauretta fingen von Troilus und Chryseis zu singen an.
Zu der Stunde, um die man sich wieder zu versammeln pflegte, ließ die Königin einen jeden herbeirufen, und alle setzten sich in der gewohnten Weise rings um die Quelle. Eben wollte die Königin den Befehl zum Beginn der ersten Geschichte erteilen, als geschah, was noch niemals sich zugetragen hatte; zu aller Ohren drang nämlich von der Küche her ein gewaltiger Lärm, den die Mägde und Diener miteinander vollführten. Der Seneschall, der herbeigerufen und über die Ursache des Lärms befragt ward, sagte, es sei ein Zank zwischen Licisca und Tindaro; doch wisse er den Grund selbst nicht anzugeben, da er, um Ruhe zu gebieten, erst eben hinzugekommen sei, als er den Befehl erhalten, vor der Gesellschaft zu erscheinen.
Die Königin hieß ihn Licisca und Tindaro sofort herbeiholen und fragte beide, nachdem sie erschienen waren, nach der Ursache ihres Zankes. Tindaro wollte antworten; Licisca aber, die nicht mehr jung und ziemlich unverträglich war, sich auch über dem Streite etwas erhitzt hatte, warf ihm einen verächtlichen Blick zu und fiel ihm also in die Rede: »Seht mir doch den unverschämten Gesellen, der sich untersteht, wo ich bin, vor mir sprechen zu wollen. Schweig und laß mich reden!« Dann aber sagte sie, zur Königin gewandt: »Madonna, dieser Mensch will mich die Frau des Sykofantes kennen lehren und, als ob ich nie mit ihr verkehrt hätte, gerade mir weismachen, in jener Nacht, wo Sykofantes das erste Mal bei ihr geschlafen, sei Junker Mauernbrecher nur mit Gewalt und Blutvergießen in Schwarzburg eingedrungen. Ich aber sage, daß das gelogen ist und daß er seinen Einzug ganz friedlich und mit vollem Einverständnis der
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