Das Dekameron
heftigen Schmerz, den er empfand, laut aufschrie. Als Pietro das hörte, wunderte er sich und erkannte wohl, daß dies im Hause selbst gewesen sei. Während indes jener nicht aufhörte zu wehklagen, da der Esel seinen Fuß immer noch nicht von den Fingern weggenommen hatte, sondern sie fortwährend heftig quetschte, ging Pietro mit dem Rufe: »Wer ist da?« aus dem Zimmer gerade auf den Hühnerkorb zu. Als er diesen emporhob, sah er den jungen Burschen, der jetzt noch, von den schmerzenden Fingern abgesehen, welche der Esel ihm gequetscht hatte, vor Furcht zitterte, daß Pietro ihm ein Leid antun möchte. Pietro hatte ihn indes als einen von denen erkannt, welchen er seinen lasterhaften Neigungen zufolge schon lange Zeit nachgegangen war, und so fragte er nur: »Was machst du hier?« worauf der junge Mensch nichts antwortete, sondern nur um Gottes willen bat, daß er ihm nichts tun möge.
Pietro erwiderte: »Steh auf und fürchte nicht, daß ich dir irgend etwas zu Leide tue. Sage mir aber, wie und zu welchem Zwecke du hierhergekommen bist.« Der junge Mensch sagte ihm alles. Pietro war aber ebenso zufrieden, ihn gefunden zu haben, wie die Frau betrübt darüber, daß dies geschehen war. Infolgedessen nahm er ihn bei der Hand und führte ihn in das Zimmer, in welchem die Frau ihn mit der größten Angst von der Welt erwartete. Dann setzte er sich ihr gegenüber und sagte: »Erst eben verwünschtest du die Frau des Ercolano und meintest, man müsse sie als eine Schande für euch alle verbrennen. Warum sagtest du denn nicht dasselbe von dir? Oder wenn du dazu nicht geneigt warst, wie konntest du dich dann erfrechen, auf sie zu schelten, da du dir bewußt warst, das gleiche wie sie getan zu haben?
Wahrlich, nichts anderes bewog dich dazu, als daß von euch die eine so schlecht ist wie die andere und jede ihren Fehler mit fremder Schuld zu verdecken strebt. So möchte doch Feuer vom Himmel fallen, um euch alle zu verzehren, ruchlose Brut, die ihr seid.«
Als das Weibchen gewahr wurde, daß ihr Mann auf den ersten Anhieb weiter nichts Böses getan hatte, als daß er schimpfte, und als sie zu bemerken glaubte, daß er sich vor Kitzel, so einen hübschen Burschen bei der Hand zu haben, nicht zu lassen wußte, faßte sie Mut und sagte: »Freilich glaube ich, daß du wünschest, ein Feuer möge vom Himmel fallen und uns alle verzehren, denn ich weiß wohl, du hast uns Weiber so lieb wie der Hund den Knüttel. Aber beim Kreuze Gottes, so gut soll dir's nicht werden. Wenn du indes einmal abrechnen willst, dann möchte ich doch wissen, über was du dich beschweren kannst. Willst du mich mit Ercolanos Frau vergleichen, so kann ich mir das wohl gefallen lassen. Das ist eine alte Betschwester und Heuchlerin, und ihr Mann gewährt ihr, was sie haben will, und hält sie, wie eine Frau gehalten werden muß. Mit mir aber verhält es sich anders. Gesetzt auch, ich wäre gut gekleidet und beschuht, so weißt du selbst am besten, wie es um das andere steht und wie lange es her ist, daß du nicht bei mir gelegen hast. Wollte ich doch lieber in Lumpen und barfuß gehen, wenn ich nur im Bett gut von dir behandelt würde, als all das zu haben und so traktiert zu werden, wie du es tust. Vernimm aber, was ich dir sage, Pietro: ich bin ein Weib so gut wie die ändern und habe die gleiche Lust wie diese. Sorge ich also, ihr Genüge zu schaffen, wenn du es nicht tust, so trifft mich darum kein Vorwurf. Wenigstens halte ich noch so weit auf deine Ehre, daß ich mich nicht mit Gassenbuben und Grindköpfen einlasse.«
Pietro sah wohl ein, daß es mit solchen Reden die ganze Nacht kein Ende nähme, und überdies war es ihm gar wenig um seine Frau zu tun. Darum sagte er: »Frau, nun schweige still. Ich sage dir, daß ich dich in diesem Punkte schon zufriedenstellen will. Recht lieb aber wäre es von dir, wenn du sorgen wolltest, daß wir etwas zum Nachtessen bekämen, da ich vermute, daß dieser junge Mensch so wenig wie ich selbst zu Abend gegessen hat.« »Freilich nicht«, sagte die Frau, »freilich hat er noch kein Abendbrot erhalten; denn als du zu ungelegener Stunde nach Hause kamst, hatten wir uns eben zu Tisch gesetzt, um zu essen.« »Nun«, erwiderte der Mann, »so geh denn und sorge für unser Nachtessen. Nachher will ich die Sache schon so einrichten, daß du keinen Grund haben wirst, dich zu beschweren.« Als das Weibchen den Herrn Gemahl begütigt sah, stand sie auf und ließ den Tisch gar schnell wieder herrichten und das Essen
Weitere Kostenlose Bücher