Das Dekameron
verfolgt, legt die Dame an ihrer Statt eine andere ins Bett, die vom Manne geprügelt wird und die Haare abgeschnitten bekommt. Dann eilt er zu ihren Brüdern, die ihn ausschelten, als sie finden, daß alles unwahr sei.
Der Streich, den Madonna Beatrice ihrem Manne gespielt, schien allen von ausgesuchter Bosheit zu sein, und jeder versicherte, daß Anichinos Furcht fürwahr nicht gering gewesen sein müsse, als er, von der Dame festgehalten, sie von seinen Liebesanträgen erzählen hörte. Als nun der König Filomena schweigen sah, wandte er sich zu Neifile und sprach: »Nun mögt Ihr fortfahren.« Diese begann, nachdem sie gelächelt:
Schöne Mädchen, ich habe eine schwere Aufgabe, wenn ich euch mit einer ebenso schönen Geschichte zufriedenstellen soll, wie die bisher erzählten es waren; doch mit Gottes Hilfe hoffe ich mich der Bürde leidlich zu entledigen.
Ihr müßt also wissen, daß einst in unserer Stadt ein reicher Kaufmann, namens Arriguccio Berlinghieri, lebte, der törichterweise, wie wir noch heute täglich Kaufleute tun sehen, durch eine Frau zum Edelmann zu werden hoffte. Er hatte daher ein Edelfräulein geehelicht, das schlecht zu ihm paßte und Monna Sismonda hieß. Diese verliebte sich, da ihr Gatte, wie Kaufleute zu tun pflegen, viel umherzog und wenig bei ihr verweilte, in einen jungen Mann namens Ruberto, der ihr schon lange den Hof gemacht hatte. Nachdem sie nun mit ihm vertraut geworden war und sich bei dem großen Gefallen, das sie an diesem Umgang fand, vielleicht nicht allzu vorsichtig benahm, geschah es, daß Arriguccio, mochte er nun Wind davon bekommen haben, oder wie es sonst zugehen mochte, der eifersüchtigste Mensch von der Welt wurde, seine Reisen und seine Geschäfte vernachlässigte und fast seine ganze Sorgfalt nur darauf richtete, sie wohl zu hüten. Nimmer wäre er eingeschlafen, ehe er sie nicht hätte ins Bett kommen hören.
Dies nun geschah zum großen Leidwesen der Dame, da sie jetzt ihren Ruberto auf keine Weise mehr sehen konnte. Nach vielerlei Überlegungen, wie sie mit ihm, der sie ebenfalls heftig darum anging, zusammen sein könne, verfiel sie endlich auf folgenden Ausweg: da ihr Schlafgemach nach der Straße zu lag und sie oft bemerkt hatte, daß Arriguccio sehr schwer einschlummerte, allein dann auch um so fester schlief, beschloß sie, Ruberto um Mitternacht an die Haustür kommen zu lassen, ihm diese leise zu öffnen und, während der Gatte fest schlief, mit ihm zu verweilen. Damit sie nun, ohne daß es sonst jemand merkte, gewahr würde, wenn er käme, hängte sie einen Bindfaden zum Kammerfenster hinaus, der mit dem einen Ende bis auf die Straße hinabreichte, dessen anderes Ende aber über den Fußboden hinweg zu ihrem Bett führte, wo sie es, unter den Linnen versteckt, nach dem Zubettgehen an ihrer großen Zehe zu befestigen gedachte. Davon erzählte sie Ruberto und hieß ihn, wenn er käme, an dem Faden zu ziehen, worauf sie, wenn der Gatte schlief, den Faden losließe und ihm öffnete. Schlief Arriguccio aber nicht, so hielte sie den Faden fest und zöge ihn an sich, damit Ruberto nicht zu warten brauche.
Dem Ruberto gefiel diese Einrichtung überaus, und er ging oft hin. Bisweilen gelang es ihm, mit ihr zusammen zu sein, bisweilen auch nicht. Zuletzt jedoch, nachdem sie dieses Kunststück lange genug fortgesetzt hatten, geschah es in einer Nacht, daß Arriguccio, während die Frau schlief, den Fuß im Bett ausstreckte und den Faden entdeckte. Sogleich griff er mit der Hand danach, und als er ihn an der Zehe seiner Frau befestigt fand, sagte er zu sich selbst: »Da muß irgendein Trug dahinterstecken.« Als er nun weiter bemerkte, daß der Faden zum Fenster hinausging, zweifelte er nicht mehr, schnitt ihn deshalb heimlich von der Zehe seiner Frau ab, befestigte ihn an seine Zehe und wartete nun aufmerksam, um zu erfahren, was dies zu bedeuten hätte.
Es dauerte auch nicht lange, bis Ruberto sich einfand. Er zog am Faden, wie er's gewohnt war, und Arriguccio fühlte es. Da er aber den Faden nicht fest genug angeknüpft hatte und Ruberto stark zog, gab der Bindfaden nach und kam dem Liebhaber in die Hand, weshalb er glaubte, warten zu müssen und dies auch tat. Arriguccio indessen stand schnell auf, ergriff seine Waffen und eilte zur Tür, um zu sehen, wer es wäre, und ihm dann übel aufzuspielen. Arriguccio war nun trotz seiner Kaufmannschaft ein heftiger und starker Mann. Als er daher zur Tür kam und sie keineswegs leise auftat, wie die Frau es
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