Das Dekameron
er entdeckt und getan hatte; um aber diese Tatsachen vollständig zu beweisen, übergab er ihnen die Haare, welche er der Frau abgeschnitten zu haben glaubte, und fügte hinzu, sie möchten nun kommen, sie zu holen, um mit ihr zu machen, was sie ihrer Ehre angemessen glaubten; denn er seinerseits wolle sie nicht länger in seinem Hause dulden.
Heftig erzürnt über alles, was sie gehört hatten, und sehr aufgebracht, weil sie der Wahrheit dieses Berichts über ihre Schwester vollen Glauben schenkten, ließen die Brüder Fackeln anzünden, machten sich mit Arriguccio auf den Weg und gingen in der Absicht, ihr übel mitzuspielen, mit ihm zu seinem Hause. Als die Mutter dies sah, folgte sie ihnen weinend und beschwor bald den einen, bald den ändern, sie möchten doch nicht alles sofort glauben, ohne mehr von der Sache zu sehen oder zu wissen. Der Mann könne ja aus ändern Gründen gegen sie aufgebracht sein, ihr Unrecht getan haben und ihr jetzt zu seiner Entschuldigung solche Dinge zur Last legen. Überdies, fügte sie hinzu, könne sie nicht begreifen, wie das zugegangen sein solle, da sie ihre Tochter von klein auf erzogen habe und gut kenne, und so fort.
Unter solchen Reden gelangten sie zu Arriguccios Haus, traten ein und stiegen die Treppe hinauf Als Monna Sismonda sie kommen hörte, rief sie: »Wer ist da?« Einer der Brüder antwortete hierauf: »Das sollst du schon erfahren, schuldiges Weibsbild, wer da ist.« Hierauf entgegnete Monna Sismonda: »Was soll denn das bedeuten? Der Herr steh uns bei!« Dann stand sie auf und sprach: »Meine Brüder, seid mir willkommen, was führt euch alle drei zu dieser Stunde hierher?«
Als diese sie so beim Nähen sahen und in ihrem Gesicht keine Spuren von Schlägen entdeckten, während Arriguccio ihnen erzählt hatte, daß er sie weidlich zerbleut habe, wunderten sie sich gleich zu Anfang schon sehr und zügelten ihren ungestümen Zorn. Darauf fragten sie die Schwester, wie das zugegangen sei, worüber Arriguccio sich beklage, und drohten ihr heftig, wenn sie ihnen nicht alles genau sage. »Ich weiß nichts«, sprach die Frau, »was ich euch sagen soll, noch worüber Arriguccio sich beklagt haben kann.« Arriguccio, der sie nun erst genauer ansah, betrachtete sie wie ein Irrer. Er wußte, daß er ihr vielleicht tausend Faustschläge ins Gesicht gegeben, sie zerkratzt und ihr alles erdenkliche Übel der Welt angetan hatte; jetzt aber sah er sie so vor sich, als ob gar nichts von alldem vorgefallen wäre. Die Brüder indes teilten in der Kürze mit, was Arriguccio erzählt hatte, von dem Faden, den Schlägen und allem übrigen.
Darauf sprach die Frau, zu Arriguccio gewendet: »Wehe mir, Mann, was muß ich hören? Warum gibst du mich zu deiner eigenen Schmach für ein verworfenes Weib aus, das ich nicht bin; warum dich selbst für schlecht und grausam, ohne daß du es bist? Wann warst du denn diese Nacht zu Hause, geschweige denn bei mir? Wann schlugst du mich? Ich besinne mich auf nichts.« »Wie«, begann Arriguccio, »du schlechtes Weib, gingen wir nicht mitsammen zu Bett? Kehrte ich nicht dahin zurück, nachdem ich hinter deinem Buhlen hergelaufen war? Gab ich dir nicht unzählige Faustschläge? Schnitt ich dir nicht die Haare ab?«
»In diesem Hause«, antwortete die Frau, »hast du dich gestern abend nicht schlafen gelegt. Doch lassen wir alles andere, das ich doch nur durch meine wahrhaftigen Worte bezeugen könnte, und kommen wir zu dem, was du vom Schlagen und Haarabschneiden sagst. Mich hast du nicht geschlagen, und ihr alle, die ihr anwesend seid, du selbst mit, seht mich an, ob ich an meinem ganzen Körper irgendein Zeichen von Schlägen habe. Auch wollte ich dir die Verwegenheit, Hand an mich legen zu wollen, nicht raten, denn beim Kreuze Gottes, ich kratzte dir die Augen aus. Auch kein Haar hast du mir abgeschnitten, daß ich es gefühlt oder gesehen hätte. Aber vielleicht hast du es getan, ohne daß ich es bemerkt? Laß sehen, ob meine Haare abgeschnitten sind!« Und nun nahm sie die Schleier vom Haupte und zeigte allen, daß ihr Haar nicht beschnitten, sondern unversehrt war.
Als die Brüder und die Mutter dies alles sahen und hörten, sprachen sie zu Arriguccio: »Was kannst du darauf sagen, Arriguccio? Das paßt fürwahr nicht zu dem, was du uns erzählt hast, und wir wissen nun nicht, wie du das übrige beweisen willst.« Arriguccio stand wie ein Träumender und wollte reden; aber da er sah, daß selbst das, was er beweisen zu können glaubte, sich
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