Das Dekameron
was für eine Sünde das gewesen sei. >Sie war der Art<, antwortete ich ihm, >daß ich bei meiner Gevatterin schlief, und zwar so oft, daß ich mich dadurch zugrunde richteten Darauf lachte er mich aus und sagte: >Geh, du Narr, und fürchte nichts, denn hier hält man keine Rechnung über die Gevatterinnen.< Als ich dies hörte, beruhigte ich mich.«
Da nun der Tag nahte, sprach er nach diesen Worten: »Leb wohl, Meuccio, ich kann nicht länger bei dir weilen«, und verschwand sogleich. Als Meuccio nun gehört hatte, daß man dort keine Rechnung über die Gevatterinnen führte, lachte er sich selbst wegen der Torheit aus, daß er schon auf einige Gevatterinnen verzichtet hatte, und wurde, nachdem er über seine Unwissenheit belehrt worden war, für die Zukunft klüger. Wäre Bruder Rinaldo in dieser Sache ebenso unterrichtet gewesen, dann hätte er es nicht nötig gehabt, seine gute Gevatterin durch Trugschlüsse zu gewinnen.
Schon hatte, da die Sonne dem abendlichen Horizont zueilte, der leichte Zephir sich erhoben, als der König schloß, und da niemand mehr zum Erzählen übriggeblieben war, nahm er sich den Kranz vom Haupte, drückte ihn Lauretta auf die Stirn und sprach: »Madonna, ich kröne Euch mit dem Reis, das Eurem Namen entspricht, zur Königin unserer Gesellschaft. Befehlt nun als Herrscherin alles, was uns Eurer Meinung nach zum Vergnügen und zur Freude gereicht.« Mit diesen Worten setzte er sich nieder.
Lauretta, die neue Königin, ließ den Seneschall rufen und befahl ihm, etwas früher als zur gewohnten Stunde die Tafeln in dem anmutigen Tale herzurichten, damit man nachher mit Gemächlichkeit zum Schlosse zurückkehren könne. Außerdem ordnete sie an, was er, solange ihre Herrschaft dauerte, zu tun habe. Dann wandte sie sich wieder zur Gesellschaft und sprach: »Dioneo gebot uns gestern, von den Streichen zu sprechen, wie sie die Frauen ihren Männern spielen. Müßte ich nicht fürchten, dem Geschlecht jener Kläffer zugerechnet zu werden, die sich immer auf der Stelle rächen wollen, so würde ich sagen, daß morgen von den Possen gesprochen werde, welche die Männer ihren Frauen spielen. Doch ich unterlasse dies und fordere nur, daß jeder sich bereit halte, von Streichen zu erzählen, wie sie täglich eine Frau dem Mann, ein Mann der Frau oder auch ein Mann dem ändern spielt. Dabei wird sich, wie ich hoffe, nicht weniger Ergötzliches zu berichten finden als heute.«
Als sie so gesprochen hatte, stand sie auf und beurlaubte die Gesellschaft bis zur Essensstunde. Frauen und Männer erhoben sich nun gleichfalls. Einige von ihnen begannen unbeschuht mit den Füßen im klaren Wasser zu plätschern, andere aber ergötzten sich, unter den schönen schlanken Bäumen auf dem grünen Wiesengrunde umherzuwandeln. Dioneo und Fiammetta sangen eine Weile zusammen von Archytas und Palämon, und so verbrachten sie die Zeit bis zum Abendessen unter mancherlei Ergötzen heiter und vergnügt. Als diese gekommen war und sie nun längs dem kleinen See an ihren Tischen saßen, unter dem Gesang von tausend Vögeln, von der milden Abendbrise umfächelt, die stetig von den Bergen herabwehte, und von keiner Mücke gestört, speisten sie ruhig und fröhlich.
Als die Tafel aufgehoben war und die Gesellschaft das anmutige Tal noch ein wenig durchstreift hatte, begaben sich alle nach der Königin Geheiß, während die Sonne noch hoch am Abendhimmel stand, langsamen Schrittes auf den Weg zu ihrem gewöhnlichen Aufenthaltsort. Unter Scherzen und Geplauder über tausenderlei Dinge, teils über solche, die heute erzählt worden waren, teils über andere, gelangten sie bei Einbruch der Dunkelheit zu dem schönen Palaste zurück. Nachdem man hier die Mühe des kleinen Weges mit kühlen Weinen und Backwerk verscheucht hatte, begann man in der Nähe des schönen Springbrunnens Reigentänze, bald nach dem Ton von Tindaros Schalmei, bald nach anderer Musik aufzuführen. Endlich aber gebot die Königin der Filomena, einen Gesang anzustimmen, und diese begann also:
Wird seliges Gelingen
Zum Ort der Freude nie ein zweites Mal,
Von dem ich weinend schied, zurück mich bringen?
Ich weiß den Weg nicht, so bin ich befangen
Vom Sehnen meiner Brust,
Dorthin, wo ich geweilt in schönem Tagen.
Mein süßes Glück, du Ziel für mein Verlangen,
Des Herzens einz'ge Lust,
Sei du mir Führer. Wen sollt ich sonst fragen,
Und wie könnt ich's nur wagen?
Gib, mein Geliebter, mir der Hoffnung Strahl,
Leih dem erstorbnen
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