Das Dekameron
dem seine Frau, die Monna Mita hieß, einen Sohn geboren hatte. Da nun Tingoccio die Gevatterin, die eine gar schöne und muntere Frau war, zuweilen mit Meuccio besuchte, so verliebte er sich trotz der Gevatterschaft in sie, und ebenso Meuccio, dem sie auch ausnehmend gut gefiel und der sie von Tingoccio so sehr rühmen hörte. Diese Liebe verbargen sie jedoch sorgfältig voreinander, wenngleich aus verschiedenem Grunde.
Tingoccio hütete sich, sie dem Meuccio zu entdecken, weil er sich einer Sünde schuldig zu machen glaubte, wenn er seine Gevatterin liebte, und weil er sich geschämt hätte, wenn jemand darum gewußt hätte. Meuccio aber schwieg nicht deshalb, sondern weil er schon bemerkt hatte, daß sie dem Tingoccio gefiel. »Entdecke ich ihm dies«, sprach er zu sich selbst, »so wird er eifersüchtig auf mich werden, und da er als ihr Gevatter so oft mit ihr reden kann, wie er will, wird er mich nach Kräften bei ihr anschwärzen, und ich werde nie etwas von ihr erlangen, das ich mir wünsche.«
Während nun die beiden jungen Leute in solcher Weise fortlebten, geschah es, daß Tingoccio, der mehr Gelegenheit hatte, seine Wünsche der Frau zu offenbaren, mit Wort und Tat es so weit zu bringen wußte, daß diese ihm alles gewährte, wonach er Verlangen trug. Dies ward Meuccio wohl gewahr; sosehr es ihm aber auch mißfiel, stellte er sich doch, in der Hoffnung, ebenfalls dereinst ans Ziel seiner Wünsche zu gelangen, als bemerkte er es nicht, damit Tingoccio nicht Grund und Anlaß hätte, ihm seine Sache zu verderben und ihm Hindernisse in den Weg zu legen. So liebten denn die beiden Gesellen, der eine glücklicher als der andere, und Tingoccio, der in den Besitzungen der Gevatterin das Erdreich angenehm zu bestellen fand, grub und arbeitete so lange, bis er darüber in eine Krankheit verfiel. Diese wurde nach wenigen Tagen so schwer, daß er ihr nicht zu widerstehen vermochte und aus diesem Leben schied.
Drei Tage nach seinem Tode erschien er - vielleicht weil er nicht früher gekonnt hatte - seinem Versprechen gemäß nachts in Meuccios Kammer und rief diesen, der in tiefem Schlafe lag. Meuccio erwachte und fragte: »Wer bist du?« Jener antwortete: »Ich bin Tingoccio, der, wie versprochen, zu dir zurückkehrt, um dir Kunde aus der ändern Welt zu bringen.« Meuccio erschrak wohl ein wenig, als er ihn sah; doch faßte er sich und sagte: »Sei mir willkommen, Bruder.« Danach fragte er ihn, ob er verloren sei. »Verloren«, antwortete Tingoccio, »sind Dinge, die man nicht wiederfindet, und wie könnte ich denn hier sein, wenn ich verloren wäre?« »Ach«, sagte Meuccio,
»so meine ich es nicht; ich frage dich, ob du unter den verdammten Seelen im peinigenden Höllenfeuer bist?« Hierauf antwortete ihm Tingoccio: »Das nicht; wohl aber befinde ich mich um meiner begangenen Sünden willen in großer Qual und Angst.«
Nun fragte Meuccio den Geist ausführlich, welche Strafe für jede einzelne der auf Erden begangenen Sünden dort gegeben würde, und Tingoccio beschrieb sie ihm alle. Weiter erkundigte er sich, ob er nicht diesseits irgend etwas für ihn tun könne, worauf Tingoccio es bejahte: er möge doch Messen für ihn lesen lassen, Gebete sprechen und Almosen geben, Dinge, welche den Seelen im Jenseits sehr nützlich wären. Meuccio versprach, dies gern zu tun. Als aber Tingoccio eben von ihm scheiden wollte, erinnerte er sich noch der Gevatterin. »Gut, Tingoccio«, sagte er deshalb, indem er den Kopf ein wenig hob, »daß mir noch die Gevatterin einfällt, bei der du so oft geschlafen hast, als du noch hier weiltest. Welche Buße ist dir denn dafür auferlegt?«
Tingoccio erwiderte: »Bruder, als ich dort ankam, war einer da, der alle meine Sünden auswendig zu wissen schien. Der befahl mir, an einen Ort zu gehen, wo ich in großer Pein meine Schuld beweinte und gar viel Gefährten fand, die zur selben Buße verurteilt waren wie ich. Als ich nun so unter ihnen weinte und an das, was mit der Gevatterin geschehen war, dachte und eine noch viel schwerere Strafe erwartete als die mir zugeteilte, zitterte ich vor Furcht, obwohl ich mich mitten in einem großen, heftig brennenden Feuer befand. Einer, der neben mir stand, sah dies und sprach: >Was hast du denn Schlimmeres getan als die ändern, die hier sind, daß du mitten im Feuer zitterst?< >Oh!< sprach ich, >guter Freund, ich fürchte mich so vor dem Richterspruch, den ich einer großen Sünde wegen erwarte, die ich einst beging.< Nun fragte er mich,
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