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Das Dekameron

Das Dekameron

Titel: Das Dekameron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giovanni Boccacio
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seinen Vorwürfen ab und begann über das seltsame Ereignis und das Wunder dieser Täuschung zu sprechen. Die Frau aber, die sich noch immer der Meinung wegen, die Nikostratus von ihr gehegt hatte, beleidigt stellte, sprach: »Wahrlich, soweit ich es hindern kann, soll dieser Birnbaum dergleichen Schande weder mir noch einer ändern Frau jemals wieder bereiten. Darum, Pyrrhus, geh rasch und hole ein Beil und räche dich und mich zugleich an ihm, obgleich eigentlich Nikostratus verdient hätte, daß man ihm das Beil auf den Kopf schlüge, weil er sich ohne Überlegung so rasch die Augen des Geistes hat verblenden lassen. Denn wenn du auch mit leiblichen Augen zu sehen glaubtest, was du behauptest, so hättest du als verständiger Mensch ihnen doch nie beistimmen und annehmen sollen, daß es sich wirklich so verhalte.«
    Pyrrhus lief nun eilig nach dem Beil und hieb den Birnbaum um. Als ihn die Frau am Boden sah, sprach sie zu Nikostratus: »Nun, da ich den Feind meines guten Rufes gefällt sehe, ist auch mein Zorn dahin.« Dann verzieh sie dem Nikostratus auf seine Bitte freundlich seine Schuld, machte ihm aber zur Bedingung, nie wieder von ihr, die ihn mehr als sich selbst liebe, so Arges zu glauben.
    So kehrte der arme betrogene Gemahl mit ihr und ihrem Liebhaber in den Palast zurück, wo die beiden später noch oft und mit größerer Gemächlichkeit Lust und Freude aneinander fanden. Möge der Himmel auch uns dergleichen bescheren!
     

Zehnte Geschichte
     
     
    Zwei Sieneser lieben eine Frau, die des einen Gevatterin ist. Der Gevatter stirbt, erscheint, seinem Versprechen gemäß, dem Gefährten und berichtet ihm, wie es dort im Jenseits zugeht.
     
    Die Pflicht zu erzählen blieb nur noch dem König übrig. So begann er, als er die Damen, die den unschuldig gefällten Birnbaum bedauerten, etwas beruhigt sah, folgendermaßen:
    Es ist offenkundig, daß jeder gerechte König der vornehmste Hüter der von ihm erlassenen Gesetze sein soll; denn tut er anders, so muß man ihn für einen Strafe verdienenden Sklaven, nicht aber für einen König erkennen. Dennoch bin ich, euer König, schier genötigt, dieser Schuld und diesem Tadel zu verfallen. Es verhält sich ja so, daß ich gestern, als ich den Gegenstand unserer heutigen Erzählungen bestimmte, die Absicht hatte, mich an diesem Tage meines Vorrechts nicht zu bedienen, sondern mich der gleichen Vorschrift wie ihr unterwerfen und vom selben Gegenstände sprechen wollte, von dem ihr alle gesprochen habt. Allein, nun ist nicht nur das, was ich zu erzählen gedachte, bereits erzählt worden, sondern man hat auch noch über unsere Sache so viel anderes und Schöneres gesagt, daß ich, soviel ich auch in meiner Erinnerung krame, mich auf nichts besinnen kann, was dem schon Erzählten gleichkäme. Da ich sonach gegen das von mir selbst gegebene Gesetz sündigen muß, erbiete ich mich im voraus zu jeder Buße, die mir auferlegt wird, nehme aber dafür mein gewohntes Vorrecht in Anspruch.
    Ich sage euch also, vielgeliebte Damen, daß Elias Geschichte vom Gevatter und der Gevatterin und nächstdem die Albernheiten der Sieneser so große Macht über mich ausüben, daß ich die Streiche beiseite lasse, welche törichten Männern von ihren verständigen Frauen gespielt wurden, und mich statt dessen gemüßigt sehe, euch eine Geschichte zu erzählen, die zwar manches enthält, was man nicht glauben soll, dennoch aber zum Teil ergötzlich und angenehm anzuhören sein wird.
    Es lebten also in Siena einst zwei Jünglinge aus dem Volke, von denen der eine Tingoccio Mini und der andere Meuccio di Tura hieß. Sie wohnten am Salajatore und hatten, da sie fast mit niemand umgingen als miteinander, sich dem Anschein nach sehr lieb. Sie gingen, wie die Menschen zu tun pflegen, in Kirchen und Predigten und hatten oft von der Herrlichkeit und dem Elend gehört, die den Seelen der Verstorbenen in der ändern Welt je nach ihren Verdiensten zuteil würden. In dem lebhaften Verlangen, hierüber sichere Kunde zu haben, gelobten sie einander, da sie keinen ändern Weg dazu wußten, daß der, welcher zuerst stürbe, dem lebend Zurückgebliebenen, wenn er könne, erscheinen und die Botschaft bringen solle, nach der er so sehr verlangte. Dies versprachen sie sich mit einem Eidschwur.
    Nach diesem Gelöbnis geschah es, daß Tingoccio, während die beiden fortfuhren, so miteinander zu verkehren, wie wir gesagt haben, der Gevatter eines gewissen Ambrogio Anselmini wurde, der in Campo Reggi wohnte und

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