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Das Dekameron

Das Dekameron

Titel: Das Dekameron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giovanni Boccacio
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war, der ihm wohlwollte. Und gab es ja jemand, der ihn einigermaßen leiden mochte, so war es doch nicht unsere Dame, der er verhaßter war als Kopfschmerzen. Deshalb antwortete sie ihm denn als eine kluge Frau: »Herr, daß Ihr mich liebt, kann mir nur sehr angenehm sein, und auch ich muß und werde Euch gern lieben. Allein in Eure wie in meine Liebe darf sich nichts Unehrbares einschleichen. Ihr seid mein geistlicher Vater, seid Priester und dem Alter schon nahe. Alle diese Dinge müssen Euch ehrbar und züchtig machen. Auf der ändern Seite bin ich aber selbst kein junges Mädchen mehr, dem dergleichen Liebschaften noch anständen. Ich bin Witwe, und Ihr wißt, welche Ehrbarkeit man von Witwen verlangt. Darum haltet mich denn für entschuldigt, wenn ich Euch so, wie Ihr begehrt, nie lieben werde, noch von Euch ferner so geliebt sein will.«
     
    Da der Herr Propst für diesmal keine andere Antwort von ihr erlangen konnte, machte er es nicht wie einer, der auf den ersten Streich abgeschreckt wird oder sich besiegt fühlt, sondern, seine unverschämte Zudringlichkeit fortsetzend, ließ er nicht ab, sie häufig mit Briefen und Bestellungen, ja auch persönlich, sooft er sie in der Kirche sah, zu behelligen. Diese beständige Plage schien der Dame endlich so lästig und unerträglich, daß sie darüber nachsann, ihn sich auf solch eine Weise vom Halse zu schaffen, wie er sie verdiente. Doch wollte sie nichts unternehmen, was sie nicht vorher mit ihren Brüdern besprochen hätte. Sie sagte ihnen daher, wie der Propst sich ihr gegenüber benähme, auch was sie zu tun gesonnen sei, und nachdem sie ihre volle Zustimmung erhalten hatte, ging sie einige Tage darauf wieder in die Kirche, wie sie gewohnt war.
    Sobald der Propst sie kommen sah, eilte er zu ihr und fing nach seiner Gewohnheit mit vertraulichen Worten ein Gespräch mit ihr an. Sie blickte, schon als sie ihn kommen sah, nach ihm hin, machte ihm ein freundliches Gesicht und ging dann mit ihm beiseite. Nachdem der Propst ihr nun in seiner üblichen Art vielerlei gesagt hatte, sprach sie nach einem lauten Seufzer:
    »Herr, ich habe schon oft gehört, es sei keine Burg so fest, daß sie nicht, wenn sie täglich bestürmt wird, endlich doch einmal eingenommen werde. Dies habe ich nun auch an mir selbst erfahren. So sehr habt Ihr mir bald mit süßen Worten, bald mit dieser, bald mit jener Aufmerksamkeit zugesetzt, daß Ihr mich meinen Vorsatz aufzugeben bewogen habt. Und da ich Euch nun einmal so sehr gefalle, bin ich entschlossen, die Eurige zu werden.«
    Der Propst, ganz außer sich vor Freude, erwiderte hierauf: »Großen Dank, Madonna! Euch die Wahrheit zu gestehen, so habe ich mich nicht wenig gewundert, daß Ihr Euch so lange gehalten habt; denn ich bedachte, daß mir dies nie bei einer ändern begegnet ist. Vielmehr habe ich öfter behauptet, daß, wenn die Weiber von Silber wären, sie nicht zum Gelde taugten, weil keine von ihnen den Hammer aushielte. Doch lassen wir das jetzt beiseite und sagt mir lieber, wann und wo wir Zusammentreffen können.« Hierauf versetzte die Frau: »Mein süßer Herr, das Wann kann stattfinden, sobald es uns gefällt, denn ich habe keinen Gatten, dem ich Rechenschaft von meinen Nächten geben müßte; allein das Wo weiß ich nicht zu ersinnen.« »Nicht?« sprach der Propst; »warum nicht in Eurem Hause?« »Herr«, entgegnete die Frau, »Ihr wißt, daß ich zwei junge Brüder habe, welche bei Tag und Nacht mit ihrer Gesellschaft in das Haus kommen. Weil aber mein Haus nicht groß ist, wäre einer darin nur sicher, wenn er sich wie ein Stummer, ohne ein Wort oder einen Laut von sich zu geben, zu verhalten und wie ein Blinder im Finstern umherzutappen wüßte. Wollten wir das tun, könnten wir es; denn in meine Kammer kommen sie niemals. Allein die ihrige ist dieser so nahe, daß man darin kein Wörtchen so leise sprechen kann, daß es dort nicht gehört würde.« »Nun«, sprach der Propst, »Madonna, darum wollen wir es nicht noch einige Nächte aufschieben; unterdes werde ich darüber nachdenken, wo wir mit mehr Gemächlichkeit anderwärts Zusammensein können.« »Das ist Eure Sache, Herr«, sprach die Dame. »Aber um dies eine bitte ich Euch, daß alles geheim bleibe und nie ein Wort davon verraten werde.« Hierauf erwiderte der Propst: »Fürchtet nichts, Madonna, und kann es sein, so macht, daß wir noch diesen Abend Zusammentreffen.« »Das bin ich auch zufrieden«, sagte die Dame. Dann gab sie ihm Anweisungen, wie und wann

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