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Das Dekameron

Das Dekameron

Titel: Das Dekameron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giovanni Boccacio
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machen.«
    »Warte noch«, sagte Bruno. Dann fügte er, zu Buffalmacco gewandt, hinzu: »Calandrino scheint mir ganz recht zu haben; doch meine ich, daß die jetzige Stunde wenig dazu geeignet ist, denn die Sonne steht hoch und scheint gerade in das Mugnonetal hinein und trocknet die Steine alle ab, so daß selbst die weiß erscheinen, welche am Morgen, ehe die Sonne sie getrocknet, schwarz aussehen. Außerdem sind heute auch aus verschiedenen Gründen viele Menschen in dem Tal; denn heute ist Werktag, und wenn die uns sehen, könnten sie leicht erraten, was wir dort machten, und es uns nachtun. Der Wunderstein könnte ihnen in die Hände fallen, und wir hätten das Gewisse für das Ungewisse verloren. Drum dünkt mich, wenn auch ihr der Meinung seid, daß dies ein Geschäft für die Morgenstunde sei, wo man die schwarzen Steine besser von den weißen unterscheidet, und dazu für einen Festtag, da dann niemand dort ist, der uns sehen kann.« Buffalmacco lobte den Vorschlag des Bruno, Calandrino stimmte zu, und sie verabredeten daher, am nächsten Sonntagmorgen alle drei zusammen nach diesem Wunderstein zu suchen. Vor allem aber beschwor sie Calandrino, ja keinem Menschen in der Welt etwas zu sagen, da ihm die Sache als ein Geheimnis anvertraut worden sei. Danach erzählte er ihnen noch, was er von dem Schlaraffenland Wohlbekomm's gehört habe, und bekräftigte seine Erzählung mit mehreren Eiden.
    Als Calandrino fort war, verabredeten die beiden, was sie nun in dieser Sache zu tun hätten. Calandrino erwartete unterdes mit Sehnsucht den Sonntagmorgen. Der Morgen kam, und er stand bei der ersten Morgenröte auf und rief seine Gefährten herbei. Alle drei gingen sie zum San-Gallo-Tor hinaus, stiegen in die Schlucht hinab und gingen nun, nach dem Wunderstein suchend, immer tiefer hinunter. Calandrino, als der Ungeduldigste, ging voran, sprang behende bald hierhin, bald dorthin, warf sich, sobald er irgendeinen schwarzen Stein erblickte, über ihn, raffte ihn auf und steckte ihn in seine Brusttasche. Seine Genossen folgten ihm und hoben bald den einen, bald den ändern Stein auf. Calandrino jedoch war noch nicht weit gekommen, als er schon die Brust voll Steine hatte, weshalb er seine Rockschöße aufhob, einen weiten Sack daraus machte und, nachdem er die Zipfel auf allen Seiten am Gurte befestigt hatte, auch diesen bald so vollfüllte, daß er nach kurzer Zeit aus seinem Mantel noch eine weitere Tasche bilden mußte und diese gleichfalls mit Steinen füllte.
    Als Buffalmacco und Bruno den Calandrino so beladen sahen und die Essensstunde herangekommen war, begann Bruno, nach der unter ihnen getroffenen Verabredung, zu Buffalmacco: »Aber wo ist denn Calandrino?« Buffalmacco, der ihn dicht vor sich sah, wandte sich um, blickte hier und dort umher und antwortete: »Ich weiß gar nicht. Er war doch eben erst noch ganz dicht vor uns.« Bruno erwiderte: »Freilich war er das, doch bin ich fast gewiß, daß er jetzt zu Hause beim Essen sitzt, und uns läßt er hier wie die Idioten im Mugnone schwarze Steine suchen.« »Wahrhaftig, er hat es recht gemacht«, sprach Buffalmacco, »daß er uns zum besten gehabt und im Stich gelassen hat. Warum waren wir solche Narren, ihm zu glauben! Traun, wer außer uns wäre auch so einfältig gewesen, daran zu glauben, daß sich im Mugnonetal ein so kostbarer Wunderstein fände?«
    Als Calandrino diese Reden hörte, war er überzeugt, daß der gewünschte Stein ihm in die Hände gefallen wäre und infolge seiner Wirkung jene ihn nicht sähen. Dieses Glückfalls wegen über alle Maßen erfreut, beschloß er, ohne ihnen eine Silbe zu antworten, rasch nach Hause umzukehren, und schlich sich mit heimwärtsgewendeten Schritten fort. Als Buffalmacco dies sah, sprach er zu Bruno: »Was sollen wir tun? Warum gehen wir nicht auch heim?« »Laß uns gehen«, antwortete Bruno. »Aber ich schwöre bei Gott, daß mir Calandrino keinen solchen Streich wieder spielen soll; und hätte ich ihn jetzt so nahe, wie ich ihn diesen ganzen Morgen gehabt habe, ich wollte ihm eins mit diesem Kiesel auf die Hacken versetzen, daß er wohl einen Monat lang an diesen Spaß denken sollte.« Und dies sagen und ausholen und den Kiesel dem Calandrino auf die Hacken schleudern, war eins. Calandrino fühlte den Schmerz, hob das Bein hoch und fing zu prusten an: doch bezwang er sich und ging schweigend weiter. Indes nahm auch Buffalmacco einen der Steine, die er gesammelt hatte, in die Hand und sprach zu Bruno: »Sieh, was

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