Das Dekameron
er zu kommen habe, trennte sich von ihm und kehrte nach Hause zurück.
Nun hatte diese Dame eine Magd, die nicht mehr allzu jung war und das häßlichste und entstellteste Gesicht besaß, das man sehen konnte. Ihre Nase war breitgedrückt, der Mund stand schief, die Lippen waren dick, die Zähne groß und schlecht zusammengefügt; sie schielte, nie waren ihre Augen gesund, und ihre Haut sah so grün und gelb aus, daß es schien, als hätte sie den Sommer nicht in Fiesole, sondern in Sinigaglia zugebracht. Zu alldem war sie auch noch lahm, und ihr rechtes Bein war etwas zu kurz geraten. Ihr Name aber war Ciuta, und weil sie solch ein garstiges Mopsgesicht hatte, wurde sie von jedermann Ciutazza genannt. Doch so widerwärtig sie auch von Gestalt war, so fehlte es ihr doch nicht an einiger Schlauheit.
Diese Magd nun ließ die Dame zu sich rufen und sprach zu ihr: »Ciutazza, wenn du mir diese Nacht einen Dienst erweisen willst, so schenke ich dir ein schönes neues Hemd.« Als Ciutazza das Hemd erwähnen hörte, sagte sie: »Madonna, schenkt Ihr mir ein Hemd, so stürze ich mich für Euch ins Feuer.« »Nun gut«, sprach die Dame, »ich will nur, daß du diese Nacht mit einem Mann in meinem Bett schläfst und ihm Liebkosungen erweist. Du mußt dich nur zu sprechen hüten, damit du nicht von meinen Brüdern gehört wirst, die, wie du weißt, nebenan schlafen; dann will ich dir das Hemd schenken.« Hierauf sprach Ciutazza: »Mit sechsen will ich schlafen, wenn es darauf ankommt, geschweige denn mit einem.«
Als nun der Abend gekommen war, kam auch der Herr Propst, wie ihm geheißen war, und die beiden jungen Männer befanden sich, wie die Dame mit ihnen verabredet hatte, in ihrem Zimmer und ließen sich deutlich vernehmen. Deshalb trat der Propst still und im Finstern in die Kammer der Frau und näherte sich, wie sie ihm gesagt hatte, dem Bett. Von der ändern Seite tat die Ciutazza, die von der Frau über alles, was sie zu tun hatte, wohl unterrichtet war, desgleichen. Der Herr Propst glaubte sich nun an der Seite seiner Geliebten, nahm die Ciutazza in den Arm und fing an sie zu küssen, ohne ein Wort zu reden, und sie küßte ihn ebenso. So begann er sich mit ihr zu freuen und von den lange ersehnten Gütern Besitz zu nehmen.
Als die Dame dies geschehen wußte, gebot sie ihren Brüdern, das übrige noch zu tun, was sie verabredet hatten. Diese verließen daher leise ihr Zimmer und gingen zum Marktplatz, wo ihnen das Glück zu ihrem Unternehmen günstiger war, als sie selbst verlangten. Denn da die Hitze groß war, hatte der Bischof der Stadt nach eben diesen beiden jungen Leuten gefragt, um nach ihrem Hause zu lustwandeln und mit ihnen zu trinken. Als er sie nun kommen sah, teilte er ihnen seine Absicht mit, machte sich mit ihnen auf den Weg, trat dann in ihren kühlen Hof, wo viele Lichter brannten, und trank mit großem Vergnügen von ihrem guten Wein.
Nachdem er getrunken hatte, sprachen die Jünglinge zu ihm: »Herr, da Ihr uns so große Güte erwiesen und unser geringes Haus eines Besuchs gewürdigt habt, in das wir Euch einzuladen kamen, so bitten wir Euch auch, daß es Euch gefallen möge, eine Kleinigkeit mit anzusehen, die wir Euch zeigen wollen.« Der Bischof erwiderte, daß er das gern wolle. Nun nahm einer der Jünglinge eine kleine brennende Fackel in die Hand, ging voran, so daß der Bischof und die ändern ihm folgten, und wandte sich nach jener Kammer, wo der Herr Propst bei der Ciutazza lag. Dieser, um desto schneller anzukommen, hatte seinem Pferde die Sporen gegeben, so daß er, bevor jene eintraten, schon mehr als drei Meilen zurückgelegt hatte, jetzt aber, etwas ermüdet, der Hitze ungeachtet mit der Ciutazza im Arm ein wenig ruhte.
Als nun der junge Mann mit dem Licht in der Hand die Kammer betreten hatte, und der Bischof und die ändern hinterher, sah der letztere den Propst mit der Ciutazza im Arm vor sich. Unterdessen erwachte auch der Herr Propst, sah das Licht und die Gesellschaft um sich her und steckte tief beschämt und voller Furcht den Kopf unter die Decke. Der Bischof aber sagte ihm die härtesten Worte, ließ ihm den Kopf hervorziehen und nachsehen, bei wem er gelegen hatte. Der Propst, der nun den Betrug der Dame gewahr ward, wurde sowohl dieserhalb als auch der Schmach wegen, die er jetzt daraus erntete, plötzlich betrübter als irgendein Mensch, der je gelebt hatte. Der Bischof aber befahl ihm, sich anzukleiden, und ließ ihn unter guter Bewachung nach Hause abführen, um
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