Das Dekameron
entgegnete ihnen Herr Torello hierauf, »für das, was euch gestern abend geschah, bin ich weit mehr dem Glücke Dank schuldig als euch, da jenes euch zu einer Stunde unterwegs sein ließ, wo ihr zu meinem kleinen Hause wohl mitkommen mußtet. Für das, was heute morgen geschieht, aber werde ich euch selbst verpflichtet sein und mit mir zugleich diese edlen Männer, welche euch hier umgeben. Meint ihr nun, ihnen eine Artigkeit zu erweisen, indem ihr es verschmäht, mit ihnen einen Imbiß einzunehmen, so mögt ihr es tun, wenn ihr wollt.«
Saladin und seine Gefährten ließen sich bewegen, stiegen von ihren Rossen ab, und froh bewillkommnet von den edlen Herren, wurden sie in die Gemächer geführt, welche auf das reichste für sie eingerichtet waren.
Nachdem sie die Reisekleider abgelegt und sich etwas erfrischt hatten, traten sie in den Saal, wo alles auf das glänzendste hergerichtet war. Sobald das Wasser für die Hände herumgereicht war, setzte man sich zu Tisch, wo alle in wohlersonnener und genau eingehaltener Ordnung mit vielen Speisen köstlich bedient wurden, so daß, wenn der Kaiser selbst gekommen wäre, man ihm nicht mehr Ehre hätte erweisen können. Und wiewohl Saladin und seine Gefährten große Herren und gewohnt waren, glänzende Dinge zu sehen, so erstaunten sie nichtsdestoweniger doch über diese, welche ihnen zu den glänzendsten zu gehören schienen, besonders wenn sie die Stellung des Ritters erwogen, von dem sie wußten, daß er nur ein Bürger und kein gebietender Herr war.
Als das Essen vorüber und die Tafeln aufgehoben waren und man noch eine Weile von ändern Dingen gesprochen hatte, gingen die edlen Herren von Pavia, wie es Herrn Torello gefiel, da die Hitze groß war, alle zur Ruhe, und er blieb mit seinen drei Gästen allein. Mit diesen begab er sich in ein Gemach, wohin er, damit nichts ihm Teures von ihnen ungesehen bliebe, seine treffliche Gattin rufen ließ. Schön und groß von Gestalt und mit reichen Gewändern geschmückt, kam sie zwischen ihren beiden kleinen Söhnen, die zwei Engel schienen, und begrüßte die Fremden mit Anmut. Als diese sie erblickten, standen sie auf, empfingen sie ehrerbietig und bezeigten ihr, nachdem sie zwischen ihnen Platz genommen, große Freude an ihren beiden schönen Kindern.
Im Verlauf der anmutigen Gespräche, die sich unter ihnen entspannen, fragte die Dame, als Herr Torello sich etwas entfernt hatte, sie freundlich, woher sie wären und wohin sie gingen, worauf die edlen Herren ihr ebenso antworteten, wie sie Herrn Torello geantwortet hatten. Mit heiterer Miene begann die Dame darauf: »Nun, so sehe ich, worin meine weibliche Fürsorge euch nützlich sein kann, und bitte euch deshalb, aus besonderer Gunst für mich, das kleine Geschenk, welches ich euch werde kommen lassen, nicht zu verschmähen, noch zu verachten, sondern zu bedenken, wie die Frauen nach ihrem kleinen Herzen nur kleine Geschenke geben, und, mehr auf die gute Absicht der Schenkenden als auf die Größe des Geschenkes sehend, es anzunehmen.«
Hierauf ließ sie für jeden zwei Gewänder, das eine mit Tuch, das andere mit Pelzwerk gefüttert, keineswegs wie Bürger oder Kaufleute, sondern wie Herren sie tragen, und drei Röcke von Zindeltaffet und Hosen von feiner Leinwand bringen, indem sie sprach: »Nehmet diese an. Ich habe von den gleichen Stoffen Gewänder für meinen Gemahl besorgt wie für euch. Die ändern Sachen werden euch, so geringen Wert sie auch haben, vielleicht willkommen sein, wenn ihr bedenkt, daß ihr fern von euren Frauen seid, und wenn ihr die Weite des zurückgelegten Wegs und des noch zu bewältigenden anschlagt und in Betracht zieht, wie sehr Kaufherrn an Reinlichkeit und Behaglichkeit gewöhnt zu sein pflegen.« Die edlen Herren wunderten sich und erkannten nun deutlich, daß Herr Torello ihnen jede erdenkliche Aufmerksamkeit erweisen wollte, und wenn sie den Reichtum dieser keineswegs für Kaufleute bestimmten Gewänder erwogen, fürchteten sie fast, von ihm erkannt zu sein. Dennoch antwortete einer von ihnen der Dame:
»Dies, Madonna, sind herrliche Sachen, die wir nicht so leicht annehmen dürften, nötigten Eure Bitten uns nicht dazu, auf die wir nicht nein sagen können.« Nachdem dies geschehen und Herr Torello inzwischen zurückgekehrt war, schied die Dame von ihnen, nachdem sie sie Gott empfohlen, und ließ nun mit ähnlichen Sachen, soweit sie sich ziemten, auch die Diener der Fremden versehen.
Durch viele Bitten erlangte Herr
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