Das Dekameron
Torello von ihnen, daß sie diesen ganzen Tag bei ihm verweilten. Nachdem sie daher geruht und ihre Kleider angelegt hatten, ritten sie mit Herrn Torello ein wenig durch die Stadt, und als die Stunde der Mahlzeit gekommen war, speisten sie herrlich in Gesellschaft vieler ehrenwerter Herren. Zur gehörigen Zeit begaben sie sich zur Ruhe. Als sie aber mit dem anbrechenden Tag sich erhoben, fanden sie an der Stelle ihrer ermüdeten Klepper drei große und schöne Rosse und ebenso viele neue und starke Pferde für ihre Diener. Als Saladin dies sah, wandte er sich zu seinen Gefährten und sprach: »Ich schwöre bei Gott, daß nie ein vollkommenerer, höflicherer und aufmerksamerer Mann lebte als dieser; und wenn die christlichen Könige für ihr Teil sich ebenso als Könige betragen wie dieser als Ritter, so kann der Sultan von Babylon auch nicht einem derselben standhalten, geschweige denn den vielen, die wir sich rüsten sehen, um über uns herzufallen.« Doch da sie wußten, daß die Rosse nicht ausgeschlagen werden durften, bestiegen sie diese unter höflichen Danksagungen.
Herr Torello begleitete sie mit vielen Gefährten eine große Strecke Weges vor die Stadt, und wiewohl es dem Saladin schwerfiel, von Herrn Torello zu scheiden, da er ihn schon liebgewonnen hatte, so bat er ihn doch, da er's eilig mit seiner Reise hatte, heimzukehren. Torello, der gleichfalls ungern von ihnen schied, sagte darauf: »Ihr Herren, ich will es tun, da es euch so beliebt. Allein noch dies will ich euch sagen: ich weiß nicht, wer ihr seid, noch begehre ich mehr davon zu wissen, als euch lieb ist. Allein, wer ihr auch sein mögt, daß ihr Kaufleute seid, bei diesem Glauben werdet ihr mich für diesmal nicht lassen, und damit empfehle ich euch Gott.« Saladin, der sich bereits von allen Begleitern des Herrn Torello verabschiedet hatte, antwortete ihm: »Herr, noch kann es geschehen, daß wir Euch etwas von unserer Ware sehen lassen, wodurch wir dann Euren Glauben befestigen werden, und jetzt geht mit Gott.«
Saladin reiste nun mit seinen Gefährten und mit dem festen Entschlüsse weiter, wenn das Leben ihm bliebe und der erwartete Krieg ihn nicht vernichtete, Herrn Torello dereinst nicht geringere Ehre zu erweisen, als dieser ihm erwiesen hatte, und noch viel über ihn, seine Gattin und alles, was er getan und wie er sich benommen hatte, sprechend, lobte er jede Einzelheit nur immer mehr. Nachdem er aber nicht ohne große Mühe das ganze Abendland durchforscht hatte, begab er sich mit seinen Begleitern aufs Meer, kehrte nach Alexandrien zurück und schickte sich hier, vollkommen unterrichtet, zu seiner Verteidigung an.
Herr Torello kehrte nach Pavia zurück und sann lange darüber nach, wer diese drei gewesen sein könnten, doch nie traf oder näherte er sich auch nur der Wahrheit. Als danach die Zeit des Kreuzzuges herankam und von allen Seiten die größten Zurüstungen gemacht wurden, entschloß Herr Torello sich trotz der Bitten und Tränen seiner Gattin, ebenfalls mitzuziehen. Nachdem er alle Vorkehrungen getroffen hatte und schon im Begriff stand, zu Pferde zu steigen, sprach er zu seiner Gattin, die er über alles liebte: »Wie du siehst, Frau, begebe ich mich auf diesen Kreuzzug, sowohl um der leiblichen Ehre als um des Heils meiner Seele willen. Ich empfehle dir daher die Sorge für unsere Angelegenheiten und unsere Ehre. Doch weil ich der Abreise zwar gewiß bin, über die Heimkehr aber wegen der tausenderlei Zufälle, die mir begegnen können, keinerlei Gewißheit habe, so will ich, daß du mir eine Gunst erweisest: was mir auch geschehen möge, so sollst du, wofern du keine gewisse Kunde von meinem Tode erhältst, vom heutigen Tag meiner Abreise an gerechnet ein Jahr, einen Monat und einen Tag lang auf mich warten, ohne dich wieder zu vermählen.«
Die Frau, die heftig weinte, antwortete: »Herr Torello, ich weiß nicht, wie ich den Schmerz ertragen soll, in dem Ihr mich bei Eurer Abreise zurücklaßt. Aber wenn mein Leben stärker ist als er und Euch etwas begegnen sollte, so lebt und sterbt in der Gewißheit, daß ich als Gattin des Herrn Torello und in seinem Angedenken leben und sterben werde.« »Frau«, entgegnete ihr Herr Torello, »ich bin völlig überzeugt, daß, soviel an dir liegt, alles geschehen wird, was du mir versprichst. Aber du bist ein junges Weib, bist schön und stammst aus einem angesehenen Geschlecht, der rühmlichen Eigenschaften hast du viele, und sie sind überall bekannt. Deshalb zweifle ich
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