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Das Dekameron

Das Dekameron

Titel: Das Dekameron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giovanni Boccacio
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bei der Hochzeit, die seine Gattin eben feiert, von ihr erkannt und kehrt mit ihr in sein Haus zurück.
     
    Filomena hatte ihre Geschichte beendet, und die großmütige Dankbarkeit des Titus war von allen gelobt worden, als der König, der den letzten Platz dem Dioneo Vorbehalten wollte, also zu sprechen anfing:
    Schöne Damen, ohne Zweifel hat Filomena in dem, was sie von der Freundschaft sagte, die Wahrheit gesprochen, und mit Recht hat sie am Schluß ihrer Erzählung sich beklagt, daß diese heutzutage den Sterblichen so wenig gilt. Und wären wir hier versammelt, um die Gebrechen der Welt zu bessern oder auch nur, um sie zu tadeln, so setzte ich ihre Worte noch durch eine lange Rede fort. Aber da unser Zweck ein anderer ist, so ist es mir eingefallen, euch in einer Geschichte, die vielleicht etwas lang, aber durchaus erfreulichen Inhalts ist, eine von den großmütigen Handlungen Saladins zu erzählen, damit wir, um der Begebenheit willen, die ihr darin hören werdet, auch wenn wir wegen unserer Mängel die volle Freundschaft eines ändern nicht erlangen können, wenigstens deshalb Vergnügen daran finden, ändern zu dienen, weil wir hoffen dürfen, daß uns einst, wann es auch sei, der Lohn dafür zuteil werden wird.
    Ich sage euch also, daß, wie viele versichern, zur Zeit Kaiser Friedrichs des Ersten von den christlichen Völkern ein allgemeiner Kreuzzug unternommen wurde, um das Heilige Land wiederzuerobern. Dies hatte Saladin, der ein gar tapferer Herr und zu jener Zeit Sultan von Babylon war, einige Zeit vorher vernommen, und er beschloß bei sich, die Zurüstungen der christlichen Herren zu diesem Kreuzzuge mit eigenen Augen zu sehen, um sich desto besser dagegen vorbereiten zu können. Nachdem er daher in Ägypten alle seine Angelegenheiten geordnet hatte, tat er, als ginge er auf eine Pilgerfahrt aus, und machte sich mit zweien seiner vornehmsten und klügsten Männer und nicht mehr als drei Dienern auf den Weg, indem er sich für einen Kaufmann ausgab.
    Nachdem er viele christliche Länder so durchstreift hatte und, durch die Lombardei reitend, im Begriff stand, über das Gebirge zu gehen, begab es sich, daß er mit seiner Begleitung auf dem Wege von Mailand nach Pavia, da es schon Abend war, einen edlen Mann traf, dessen Name Herr Torello d'Istra von Pavia war und der mit seiner Dienerschaft, mit Hunden und Falken auf eine seiner schönen Besitzungen hinauszog, welche er am Tessin besaß, um dort zu verweilen. Als Herr Torello die Reisenden erblickte, erachtete er, daß sie edle Männer und Fremde seien, und wünschte ihnen Ehre zu erweisen. Deshalb ließ er, als Saladin einen von Torellos Dienern fragte, wie weit es noch bis Pavia sei und ob sie noch zu rechter Zeit ankommen könnten, um Einlaß zu finden, den Diener nicht antworten, sondern erwiderte selbst: »Ihr Herren, ihr werdet Pavia nicht zu einer Zeit erreichen können, wo ihr dort noch Einlaß fändet.« »So gefalle es Euch«, entgegnete Saladin, »uns, da wir Fremde sind, anzuzeigen, wo wir am besten herbergen können.« »Gern will ich das tun«, erwiderte Herr Torello. »Ich stand soeben im Begriff, einen von diesen meinen Leuten wegen einer Besorgung bis dicht vor Pavia zu schicken. Ich will ihn jetzt mit euch absenden, und er wird euch an einen Ort führen, wo ihr ganz gut aufgehoben sein werdet.« Dann näherte er sich dem verständigsten seiner Diener, befahl ihm, was er zu tun habe, und sandte ihn mit ihnen. Er selbst aber eilte, so schnell er konnte, nach seiner Besitzung, ließ ein schönes Mahl herrichten und die Tische in seinem Garten aufstellen. Als dies geschehen war, trat er an die Tür und erwartete sie.
    Der Diener aber ließ sich mit den edlen Männern über mancherlei Dinge in Gespräche ein, führte sie auf allerhand Wegen umher und geleitete sie endlich, ohne daß sie es gewahr wurden, zu der Besitzung seines Herrn. Als Herr Torello sie kommen sah, ging er ihnen zu Fuß entgegen und sagte lächelnd: »Ihr Herren, seid mir sehr willkommen!« Saladin, der gar scharfsinnig war, erriet bald, daß der Ritter gefürchtet hatte, sie würden seine Einladung nicht angenommen haben, wenn er sie aufgefordert hätte, als er sie traf, und daß er sie, damit sie nicht ablehnen könnten, den Abend bei ihm zu verbringen, mit List nach seinem Hause geführt hatte. Nachdem er daher seinen Gruß beantwortet hatte, sprach er: »Herr, wenn man sich über so zuvorkommende Männer beklagen könnte, so hätten wir uns über Euch zu beklagen,

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