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Das Dekameron

Das Dekameron

Titel: Das Dekameron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giovanni Boccacio
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Verurteilte sein wollte. Alle erzählten sie ihm, und Oktavian ließ darauf die beiden frei, weil sie unschuldig waren, und den dritten ihnen zuliebe. Nun nahm Titus seinen Gisippus bei der Hand, und nachdem er ihn zuvor wegen seiner Lauheit und seines Mißtrauens gar sehr getadelt hatte, bezeigte er ihm unaussprechliche Freude und führte ihn in sein Haus, wo Sophronia ihn mit Tränen der Rührung wie einen Bruder empfing. Nachdem er ihn hier wieder einigermaßen erquickt, bekleidet und ausgestattet hatte, wie es seinen Tugenden und seinem Adel zukam, teilte er zuerst alle seine Schätze und jede seiner Besitzungen mit ihm und gab ihm dann eine seiner Schwestern, die noch jung war und Fulvia hieß, zur Gattin. Hierauf aber sprach er: »Gisippus, bei dir steht es nun, ob du hinfort bei mir weilen oder mit all dem, das ich dir geschenkt habe, nach Griechenland zurückkehren willst.« Gisippus, den einerseits das Exil, welches ihn aus seiner Vaterstadt verbannte, andererseits die Liebe bewog, die er mit Recht für die dankbare Freundschaft des Titus empfand, entschloß sich, ein Römer zu werden.
    Hier lebten sie nun, er mit seiner Fulvia und Titus mit seiner Sophronia, in einem Hause lange und froh beisammen und wurden mit jedem Tage, wenn anders das noch möglich war, innigere Freunde.
     
    Eine gar heilige Sache ist es also um die Freundschaft, und nicht nur besonderer Achtung würdig ist sie, sondern auch wert, mit ewigem Lobe gepriesen zu werden als verständige Mutter der Großmut und edler Gesinnung, als Schwester der Dankbarkeit und der Nächstenliebe, als des Hasses und des Geizes Feindin, die immer, ohne die Bitten abzuwarten, bereit ist, kräftig für andere das zu tun, was sie wünscht, daß für sie selbst getan werde.
    Dafür aber, daß ihre heiligen Wirkungen in unsern Tagen selten in zwei Menschen entdeckt werden, fallen Schuld und Schmach auf die elende Habgier der Menschen, welche, indem sie nur auf den eigenen Vorteil sieht, jene über die äußersten Grenzen der Erde hinaus in ewige Verbannung gewiesen hat. Welche Liebe, welche Reichtümer, welche Verwandtschaft hätten die Glut, die Tränen und Seufzer des Titus so wirksam im Herzen des Gisippus widertönen lassen, daß er darum seine schöne, edle und von ihm selbst geliebte Braut zu der des Titus gemacht hätte, wenn nicht sie, die Freundschaft, es getan?
    Welche Gesetze, welche Drohungen und welche Furcht hätten die jugendlichen Arme des Gisippus an einsamen und dunklen Orten, ja im eigenen Bett davon abgehalten, die junge Schöne zu umschlingen, welche ihn vielleicht selbst gelegentlich dazu einlud, wäre nicht die Freundschaft gewesen? Welcher äußere Glanz, welche Belohnung, welcher Vorteil hätten es den Gisippus gering achten lassen, seine eigenen Verwandten und die Sophronias zu verlieren, hätten ihn bewogen, das verletzende Murren des Volkes zu überhören, Hohn und Spott aller zu verachten, nur um dem Freund genugzutun, als eben sie?
    Und auf der ändern Seite, wer hätte den Titus bereit gemacht, den eigenen Tod zu suchen, obwohl er sich gut so stellen konnte, als sehe er nichts, um Gisippus vom Kreuze, das er sich selbst bereitete, zu retten, hätte sie es nicht getan? Wer hätte den Titus ohne jedes Zögern so freigebig gemacht, sein großes Erbe mit Gisippus zu teilen, dem das Schicksal seines geraubt hatte, als nur sie? Und wer endlich hätte den Titus ohne alles Bedenken dazu gebracht, die Verbindung des Gisippus mit seiner Schwester eifrig zu betreiben, obwohl er ihn arm und im höchsten Elend fand, als wiederum nur sie?
    Mögen die Menschen daher nach der Menge der Genossen, nach zahllosen Brüdern, nach vielen Kindern verlangen, mögen sie mit ihrem Geld die Zahl ihrer Diener vermehren, ohne zu bedenken, daß diese alle, wer sie auch sein mögen, bei der geringsten eigenen Gefahr mehr an sich denken als daran, die großen Gefahren zu beseitigen, die den Vater, den Bruder oder den Herrn bedrohen - während der Freund von diesem allen das Gegenteil tut.
     

Neunte Geschichte
     
     
    Saladin wird, als Kaufmann verkleidet, von Herrn Torello geehrt und bewirtet. Der Kreuzzug erfolgt. Herr Torello, der seiner Gattin eine Frist gesetzt hat, nach der sie sich wieder vermählen möge, wird gefangen und dadurch, daß er Falken abrichtet, dem Sultan bekannt. Dieser erkennt ihn wieder, gibt sich ihm zu erkennen und ehrt ihn hoch. Herr Torello wird hierauf krank und durch magische Kunst in einer Nacht nach Pavia versetzt. Hier wird er

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