Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Dekameron

Das Dekameron

Titel: Das Dekameron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giovanni Boccacio
Vom Netzwerk:
nicht, daß viele vornehme und adelige Männer, wenn ich verschollen bin, dich von deinen Brüdern und Verwandten zur Gattin begehren werden. Ihrem Zureden wirst du, wenn du es auch wünschst, nicht widerstehen können und notgedrungen ihren Willen erfüllen müssen. Dies ist der Grund, warum ich diese Frist und keine längere von dir begehre.«
    »Von dem, was ich Euch gesagt habe«, antwortete die Frau, »will ich tun, was ich kann, und würde ich dennoch genötigt, anders zu handeln, so will ich Euch wenigstens in dem sicherlich gehorsam sein, was Ihr mir befehlt. Doch bitte ich Gott, daß er weder Euch noch mir in dieser Zeit so Schweres auferlege.« Als sie diese Worte gesprochen hatte, umarmte die Frau weinend den Herrn Torello, zog sich einen Ring vom Finger und überreichte ihm denselben mit diesen Worten: »Wenn es geschieht, daß ich eher sterbe, als Ihr heimkommt, so erinnere er Euch an mich, sooft Ihr ihn seht.« Er nahm ihn, stieg zu Pferde und begab sich, nachdem er jedermann Lebewohl gesagt, auf seinen Weg. Sobald er mit seiner Schar Genua erreicht hatte, bestieg er eine Galeere, ging in See und gelangte in kurzer Zeit nach Akkon, wo er zum übrigen christlichen Heere stieß.
    Hier brach nun sofort eine Seuche und ein großes Sterben unter dem Heere aus. Während diese noch fortdauerten, gelang es dem Saladin, mochte es nun seine Schlauheit oder sein Glück bewirkt haben, fast den ganzen Rest des von der Krankheit verschonten christlichen Heeres ohne Schwertstreich gefangenzunehmen, worauf er es in viele Städte verteilte und einkerkerte.
    Einer von diesen Gefangenen war Herr Torello, und zwar wurde er nach Alexandrien in einen Kerker geführt.
    Hier war er nicht bekannt, und da er sich auch scheute, seinen Namen zu nennen, gab er sich, von der Not gezwungen, damit ab, Falken abzurichten, in welcher Kunst er ein großer Meister war, und so erhielt endlich Saladin Kunde von ihm. Dieser befreite ihn deshalb aus seinem Kerker und behielt ihn als seinen Falkonier. Herr Torello, der von Saladin nur bei seinem Taufnamen gerufen wurde - weder hatte er diesen noch dieser ihn wiedererkannt - weilte mit seiner Seele nur in Pavia, und schon mehr als einmal hatte er versucht zu entfliehen, allein nie war es ihm gelungen. Als daher einige Genueser als Abgesandte zum Loskauf einiger ihrer Mitbürger bei Saladin erschienen und nun wieder abreisen sollten, gedachte er seiner Gattin zu schreiben, wie er noch lebe und zu ihr, sobald er nur könne, zurückkehren werde, daß sie ihn daher erwarten möge. So tat er denn wirklich und bat den einen der Abgesandten inständig, daß er diesen Brief in die Hände des Abtes von San Pietro in Ciel d'Oro, der sein Oheim war, gelangen lassen möchte.
    Als die Sache so stand, geschah es eines Tages, während Saladin mit Herrn Torello über seine Falken sprach, daß Herr Torello zu lächeln begann und sein Mund dabei einen Zug zeigte, den Saladin mehrfach bemerkt hatte, als er sich in seinem Hause zu Pavia befand. Durch diesen Zug erinnerte sich Saladin an Herrn Torello, fing an, ihn aufmerksam zu betrachten, und er schien es ihm wirklich zu sein. Sogleich ließ er daher das erste Gespräch fallen und sprach: »Sage mir, Christ, aus welcher Gegend des Abendlandes bist du?« »Mein Gebieter«, antwortete Herr Torello, »ich bin ein Lombarde, aus einer Stadt, die Pavia heißt, ein armer Mann und von geringer Herkunft.« Als Saladin dies hörte, sprach er, denn er war seiner Vermutung nun ziemlich gewiß, froh zu sich selber: »Gott hat mir Gelegenheit gewährt, um diesem zu beweisen, wie lieb mir seine Zuvorkommenheit war.« Und ohne ein Wort weiter zu sagen, ließ er alle seine Gewänder in einem Zimmer zurechtlegen, führte jenen dorthin und sprach: »Siehe, Christ, ob unter diesen Kleidern eines ist, das du schon sonst gesehen hast.« Herr Torello fing an umherzuschauen und erblickte die Kleider, welche seine Gattin dem Saladin geschenkt hatte. Doch hielt er es nicht für möglich, daß es dieselben sein könnten, und antwortete deshalb: »Mein Gebieter, ich kenne keines darunter. Wahr ist es indes, daß diese beiden hier gewissen Gewändern sehr gleichen, mit denen ich einst zugleich mit drei Kaufleuten, die in mein Haus gelangten, bekleidet wurde.«
    Nun konnte Saladin sich nicht länger halten, sondern umarmte ihn gerührt und sprach: »So seid Ihr denn Herr Torello d'Istria, und ich bin einer jener drei Kaufleute, welchen Eure Gattin diese Kleider schenkte. Jetzt aber ist die

Weitere Kostenlose Bücher