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Das Dekameron

Das Dekameron

Titel: Das Dekameron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giovanni Boccacio
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bewaffnen und schickte dies eines Abends, mit mehreren von seinen Leuten bemannt, die er zuvor genau unterrichtet hatte, in die Nähe des Gartens, wo die Dame verweilte. Dann begab er selbst sich mit einigen anderen nach dem Landhause und wurde dort sowohl von der ihr zugewiesenen Dienerschaft als auch von ihr selbst freundlich empfangen. Auf seinen Wunsch ging sie, von ihren eigenen Dienern und von Konstantins Gefährten begleitet, mit ihm in den Garten. Er aber führte die Dame, als ob er im Namen des Herzogs mit ihr zu reden habe, allein einer Tür zu, die aufs Meer hinausging. Diese war inzwischen schon von einem der Seinigen geöffnet worden. Das Fahrzeug erschien auf das verabredete Zeichen hin sogleich, und die Dame wurde schnell ergriffen und hineingetragen. Hierauf wendete Konstantin sich an ihre Dienerschaft und sagte: »Keiner, der nicht des Todes sein will, wage es, sich zu bewegen oder einen Laut von sich zu geben, denn ich bin nicht gesonnen, dem Herzog seine Geliebte zu rauben, sondern nur die Schande zu tilgen, die er meiner Schwester antut.«
    Niemand unterstand sich, darauf etwas zu antworten. Konstantin stieg mit den Seinigen ins Schiff, setzte sich neben die Dame, die noch immer weinte, und befahl, die Ruder auszuwerfen und vom Lande abzustoßen. Die Schiffer schienen nicht zu rudern, sondern zu fliegen und waren bald nach Anbruch des nächsten Tages schon in Ägina angelangt. Hier ging man an Land, um auszuruhen, und Konstantin stillte seine Lust an der Dame, die ihre unselige Schönheit beweinte. Dann ging es wieder zu Schiffe, und nach wenigen Tagen ward Chios erreicht, wo Konstantin aus Furcht vor dem Zorn seines Vaters und vor etwaigen Versuchen, ihm die Dame wieder zu entreißen, an einem sicheren Orte zu verweilen beschloß. Mehrere Tage lang beweinte die Dame noch ihr Mißgeschick; endlich aber schenkte sie den Tröstungen Konstantins Gehör und begann nachgerade sich an dem zu freuen, was das Glück ihr eben bot.
    Während sich dies alles auf die angegebene Weise zutrug, kam Osbeck, der damals König der Türken war und ständig mit dem Kaiser im Kriege lebte, zufällig nach Smyrna und erfuhr dort, daß Konstantin ohne besondere SicherheitsVorkehrungen auf Chios mit einem geraubten Mädchen ein wollüstiges Leben führe. Daher schiffte er eines Nachts mit einigen bewaffneten Fahrzeugen hinüber, drang mit seinen Leuten in den Ort ein und nahm, bevor die Griechen den Einfall der Feinde gewahr wurden, deren eine große Anzahl in ihren Betten gefangen. Andere, die endlich erwacht und zu den Waffen geeilt waren, wurden getötet, der Ort niedergebrannt, Beute und Gefangene zu Schiffe gebracht und nach Smyrna abgeführt. Hier angelangt, ward Osbeck, der noch jung und kräftig war, beim Durchmustern der Beute die schöne Dame gewahr und erfuhr, sie sei dieselbe, die mit Konstantin schlafend im Bett gefangen worden war. Hocherfreut über ihren Anblick, machte er sie sogleich zu seiner Gemahlin, vollzog feierlich die Hochzeit und genoß mehrere Monate lang wohlgemut mit ihr die Freuden der Liebe.
    Schon vor diesen Ereignissen hatte der Kaiser mit Basanus, dem König von Kappadokien, Verhandlungen gepflogen, wonach dieser von der einen Seite mit seiner Macht über Osbeck herfallen sollte, während der Kaiser von der ändern ihn mit der seinigen angriffe. Doch waren diese Verhandlungen wegen gewisser Ansprüche, die Basanus stellte und die dem Kaiser ungelegen waren, noch nicht zum Ziele gekommen. Als nun aber der Kaiser das Schicksal seines Sohnes vernahm, betrübte er sich über die Maßen, tat sogleich, was der König von Kappadokien von ihm verlangte, rüstete sich selbst zum Angriff gegen Osbeck und spornte Basanus, soviel er nur konnte, an, daß er von der ändern Seite her den Türkenkönig überfalle. Sobald Osbeck davon Kunde erhielt, sammelte er sein Heer, zog, bevor zwei so mächtige Fürsten ihn in die Zange nahmen, dem König von Kappadokien entgegen und ließ inzwischen seine Schöne unter der Aufsicht eines treuen Dieners und Freundes in Smyrna zurück. In der Tat kam es bald zwischen ihm und dem König von Kappadokien zu einem Gefecht, in dem sein Heer geschlagen und vernichtet, er selbst aber getötet ward. Infolge dieses Sieges rückte Basanus dreist gegen Smyrna vor, und alles Volk auf dem Wege unterwarf sich ihm als dem Sieger.
    Während dieser Zeit hatte sich Antiochus, wie der Diener hieß, dem Osbeck die Dame anvertraut, seines Alters ungeachtet und ohne der Treue zu gedenken,

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