Das Dekameron
dieses dringenden Verdachts wurde schnell ein Bruder des Verstorbenen an dessen Stelle gesetzt und von den Seinigen nachdrücklich zur Rache angespornt. Dieser fand die Meinung der übrigen noch durch andere Anzeichen bestätigt und forderte daher seine Freunde, Verwandten und Untergebenen in den verschiedenen Landschaften zur Hilfe.
In kurzem brachte er ein ansehnliches, mächtiges und wohlbewaffnetes Heer zusammen, mit dem er gegen den Herzog von Athen in den Krieg zog.
Auch der Herzog rüstete indes, sobald er von den Maßnahmen jenseits der Grenze Kunde erhielt, nach Kräften zur Verteidigung, und viele Herren kamen zu seiner Hilfe herbeigezogen; namentlich schickte der Kaiser von Konstantinopel seinen Sohn Konstantin und seinen Neffen Manuel mit zahlreichen und schönen Truppen. Der Herzog, mehr noch aber die Herzogin, die des ersteren Schwester war, empfingen sie auf das ehrenvollste.
Inzwischen rückte der Krieg immer näher heran, und die Herzogin ergriff eines Tages die Gelegenheit, ließ Bruder und Vetter zu sich rufen, erzählte ihnen mit Tränen und ausführlichen Worten die ganze Geschichte und den Anlaß des Krieges und beschwerte sich über den Schimpf, den der Herzog ihr dadurch antue, daß er jenes Frauenzimmer, insgeheim, wie er meine, unterhalte. Unmutig und verletzt forderte sie beide auf, zur Wiederherstellung der Ehre des Herzogs und zu ihrer Genugtuung alles zu unternehmen, was in ihren Kräften stehe. Da indes die beiden Jünglinge bereits wußten, wie sich alles zugetragen hatte, hielten sie die Herzogin nicht weiter mit Fragen auf, sondern suchten sie zu beruhigen, soweit sie es vermochten, und erfüllten ihr Herz mit guter Hoffnung. Darauf entfernten sie sich, nachdem sie zuvor noch über den Aufenthaltsort der Schönen unterrichtet worden waren.
Nun hatten sie früher schon oft die wunderbare Schönheit jener Dame rühmen gehört. Sie verlangten daher sehr danach, sie zu sehen, und baten den Herzog, er möchte sie ihnen zeigen. Dieser sagte es ihnen zu, uneingedenk dessen, was dem Fürsten widerfahren war, weil er sie ihm gezeigt hatte. Er ließ in dem reizenden Garten, der zu dem von der Dame bewohnten Landhause gehörte, ein prächtiges Mittagessen richten und führte sie am folgenden Tage mit wenigen anderen Bekannten dorthin zur Tafel. Bei dieser Mahlzeit mußte Konstantin, der neben ihr saß und sie voller Verwunderung betrachtete, sich gestehen, daß er noch nie eine solche Schönheit gesehen hatte, und er mußte in Gedanken nicht nur den Herzog, sondern auch jeden anderen entschuldigen, der, um ein so schönes Wesen zu besitzen, einen Verrat oder eine sonstige Schlechtigkeit beginge. Indem er sie nun ein Mal über das andere betrachtete, wobei er sie jedes Mal schöner fand, erging es ihm nicht anders, als es dem Herzog ergangen war. Er schied verliebt von ihr und dachte nicht mehr an den Krieg, sondern allein daran, wie er sie dem Herzog entreißen wollte. Dabei verhehlte er jedoch seine Liebe sorgfältig vor jedermann.
Während er aber in solchem Feuer entbrannte, wurde es Zeit, gegen den Fürsten, der sich schon dem Gebiet des Herzogs näherte, ins Feld zu rücken. Darum verließen der Herzog, Konstantin und die übrigen Athen und rückten, den getroffenen Vereinbarungen gemäß, an die Grenze, um den Fürsten am weiteren Vordringen zu hindern. Nachdem sie dort mehrere Tage verweilt hatten, meinte Konstantin, der Herz und Gedanken immer bei jener Dame hatte, daß es jetzt, wo der Herzog ihr nicht mehr nahe sei, leichter gelingen könnte, ans Ziel zu kommen. Um Gelegenheit zu haben, nach Athen zurückzukehren, stellte er sich krank und nahm Urlaub vom Herzog, nachdem er zuvor dem Manuel den Oberbefehl über seine Streitmacht übertragen hatte. In Athen bei seiner Schwester angelangt, brachte er nach einigen Tagen das Gespräch auf die Kränkung, welche der Herzog ihr, wie sie meinte, durch seine Leidenschaft für die Fremde antat, und sagte, wenn sie nur wolle, könne er leicht Abhilfe schaffen, indem er jene in ihrem Aufenthaltsort aushebe und anderswohin führe. In dem Wahn, dies alles geschehe nur ihr, nicht aber der Fremden zuliebe, billigte die Herzogin den Plan vollkommen, wenn dabei so vorgegangen würde, daß der Herzog nie erfahre, sie habe in die Sache gewilligt. Konstantin sagte ihr das auf das bestimmteste zu, und die Herzogin gab nun ihre Zustimmung, daß jener nach seinem Gutdünken verfahre.
Darauf ließ Konstantin in aller Stille ein kleines Fahrzeug
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