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Das Dekameron

Das Dekameron

Titel: Das Dekameron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giovanni Boccacio
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vorüber, in welchem die schöne Dame wohnte, und bekam sie zufällig an einem ihrer Fenster stehend zu Gesicht. Da sie nun so schön war, wurde Antigonus aufmerksam, betrachtete sie genauer und glaubte sich zu erinnern, daß er sie schon anderwärts gesehen habe; wo das aber geschehen sei, konnte er sich durchaus nicht besinnen. Die Dame, die so lange ein Spielball des Schicksals gewesen, war nun dem Zeitpunkt nahe, der ihre Unfälle beschließen sollte; denn sie erinnerte sich, als sie den Antigonus schärfer ins Auge faßte, daß sie ihn einst zu Alexandrien im Dienste ihres Vaters als angesehenen Mann gekannt hatte. Aus diesem Grunde schöpfte sie Hoffnung, jetzt, wo ihr Kaufmann abwesend war, ihren königlichen Rang durch den Rat des Antigonus wiedergewinnen zu können.
    Sie ließ ihn daher, sobald sich eine Gelegenheit bot, zu sich rufen und fragte ihn schüchtern, ob er, wie sie glaube, Antigonus von Famagusta sei. Antigonus bejahte die Frage und fügte hinzu: »Madonna, ich sollte Euch kennen und kann mich doch in keiner Weise besinnen, wo ich Euch gesehen habe. So bitte ich Euch denn, wenn es Euch nicht unangenehm ist, mir ins Gedächtnis zurückzurufen, wer Ihr seid.« Als die Dame hörte, er sei es wirklich, schlang sie laut weinend ihre Arme um ihn und fragte nach einer Weile den sehr Verwunderten, ob er sie jemals in Alexandrien gesehen habe. Kaum hatte Antigonus diese Frage vernommen, so erkannte er auch schon Alatiel in ihr, des Sultans Tochter, die, wie man glaubte, im Meer umgekommen war, und wollte ihr seine Verehrung in der gebührenden Form erweisen. Sie aber ließ es nicht zu und bat ihn, sich ein wenig zu ihr zu setzen. Antigonus gehorchte und fragte sie dann voller Ehrerbietung, wie, wann und woher sie nach Baffa gekommen sei, während man doch im ganzen Lande Ägypten für ausgemacht halte, daß sie schon vor mehreren Jahren in der See ertrunken sei. »Wollte Gott, ich wäre es wirklich, statt solch ein Leben führen zu müssen, wie ich es gemußt habe, und wenn mein Vater es jemals erfährt, wird er gewiß ebenso sprechen.«
    Mit diesen Worten fing sie erneut gar erbärmlich zu weinen an. Darauf sagte Antigonus: »Madonna, verliert den Mut nicht eher, als bis ihr Anlaß dazu habt. Wenn es Euch beliebt, so erzählt mir Euer Mißgeschick und was für ein Leben Ihr habt führen müssen. Es ist immerhin möglich, daß alles noch so abgelaufen ist, um mit Gottes Hilfe einen günstigen Ausweg finden zu können.« »Antigonus«, erwiderte die Schöne, »als ich dich erblickte, war mir's nicht anders, als sähe ich meinen Vater, und die Liebe und die Zärtlichkeit, die ich ihm schulde, machten, daß ich mich dir entdeckte, während ich mich verborgen halten konnte. In der Tat wüßte ich wenige, mit denen zusammenzutreffen mir so lieb gewesen wäre wie gerade mit dir. Und so will ich denn dir wie einem Vater entdecken, was ich während meiner Mißgeschicke immer sorgfältig verborgen habe. Siehst du nach dem, was du gleich erfahren wirst, irgendein Mittel, mich in meine frühere Lage zurückzubringen, so bitte ich dich, es anzuwenden; siehst du aber keins, dann bitte ich dich, niemand zu sagen, daß du mich gesehen oder das mindeste von mir gehört hast.«
    Nach dieser Einleitung berichtete sie ihm unter fortdauernden Tränen, was ihr von dem Tage an, wo sie bei Majorca gestrandet, bis zu dem Augenblick, in dem sie erzählte, begegnet war. Auch Antigonus mußte bei diesem Bericht vor Mitleid weinen. Dann aber sagte er nach kurzem Besinnen: »Madonna, da während Eurer Unfälle Euer Name und Euer Stand immer verborgen geblieben sind, so will ich es dahin bringen, daß Euer Vater Euch lieber haben soll als je zuvor und der König von Algarbien Euch zur Gemahlin nimmt.« Auf ihre Frage, wie das geschehen solle, setzte er ihr alles der Reihe nach auseinander und kehrte dann, um anderen Zwischenfällen vorzubeugen, sogleich nach Famagusta zurück. Hier wartete er dem König auf und sagte: »Mein Gebieter, wenn es Euch beliebte, könntet Ihr zur gleichen Zeit für Euch selbst große Ehre einlegen und mir, der ich in Eurem Dienste arm geworden bin, einen ansehnlichen Nutzen verschaffen.« Der König fragte, wie dies geschehen könne, und Antigonus antwortete ihm: »Die junge und schöne Tochter des Sultans, von der so lange gesagt wurde, sie sei ertrunken, ist jetzt nach Baffa gekommen. Um ihre jungfräuliche Ehre zu bewahren, hat sie lange Zeit so großes Ungemach erlitten, daß sie sich jetzt, wo sie zu

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