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Das Dekameron

Das Dekameron

Titel: Das Dekameron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giovanni Boccacio
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die er seinem Gebieter und Freunde schuldig war, um ihrer großen Schönheit willen in sie verliebt. Da er ihre Sprache verstand, war sein Umgang auch der Dame lieb geworden, die nun schon mehrere Jahre lang wie eine Taubstumme hatte leben müssen, ohne jemand zu verstehen oder von jemand verstanden zu werden. So wußte er denn, von der Liebe angespornt, in wenigen Tagen ihr Vertrauen in solchem Maße zu gewinnen, daß ihr gemeinsamer Herr, der in Waffen und im Felde war, vergessen ward, ihre Neigung sich von einer freundschaftlichen in eine verliebte verwandelte und beide sich zwischen Laken und Bettdecke auf das beste miteinander unterhielten. Als sie nun vernahmen, daß Osbeck besiegt und getötet sei und Basanus sich alles auf seinem Zuge aneigne, beschlossen sie gemeinsam, seine Ankunft nicht abzuwarten, sondern nahmen einen großen Teil der Reichtümer Osbecks an sich und fuhren heimlich nach Rhodos.
    Hier hatten sie noch nicht lange geweilt, als Antiochus krank wurde. Da geschah es, daß ein Kaufmann aus Zypern, den Antiochus sehr liebte und mit dem er eng befreundet war, ihn besuchte. Weil er nun sah, daß es mit ihm zu Ende ging, beschloß er, seine Güter und die Dame diesem Freunde zu hinterlassen. Schon dem Tode nahe, rief er beide zu sich und sprach: »Ich sehe, daß es für mich keine Rettung mehr gibt, und bin betrübt darüber, weil ich niemals so gern gelebt habe wie eben jetzt. Zugleich aber sterbe ich auch zufrieden, weil ich meinen Geist in den Armen der beiden aufgebe, die ich mehr als sonst jemanden auf der Welt liebe, in den deinigen, teurer Freund, und in denen dieser Frau, die ich, seitdem ich sie gekannt, mehr als mich selbst geliebt habe. Allerdings schmerzt es mich, daß sie, fremd, wie sie in diesem Lande ist, ohne Rat und Hilfe bei meinem Tod Zurückbleiben soll, und noch mehr schmerzte es mich, wüßte ich nicht, daß du, mein Freund, hier bist, der du, wie ich fest überzeugt bin, ebenso für sie sorgen wirst, wie du es für mich selbst tätest. Darum bitte ich denn inständig, wenn ich wirklich sterben muß, dich ihrer und meines Vermögens anzunehmen und über beides so zu verfügen, wie du glauben wirst, daß es zur Beruhigung meiner Seele dienen könne. Dich aber, geliebtes Weib, bitte ich, mich nach meinem Tode nicht zu vergessen, damit ich mich noch im Jenseits rühmen kann, daß mich hier die schönste Frau, die je von der Natur geformt ward, liebte. Wollt ihr mir diese beiden Dinge versprechen, so werde ich getrost von hinnen gehen.« Der Kaufmann und die Dame weinten bei diesen Worten, flößten ihm Mut ein und versprachen ihm auf ihr Wort, im Falle seines Todes nach seinen Wünschen zu tun. Nicht lange darauf verschied er und wurde ehrenvoll von ihnen begraben.
    Einige Tage später hatte auch der zyprische Kaufmann seine Geschäfte in Rhodos vollendet und stand im Begriff, auf einem katalanischen Schiff, das dort vor Anker lag, nach Zypern zu reisen; doch fragte er zuvor die schöne Dame nach ihren Entschlüssen, da er jetzt in seine Heimat zurückkehren müsse. Die Dame erwiderte, sie werde ihn, wenn er nichts dagegen habe, gern begleiten, da sie voraussetze, daß er sie, dem Antiochus zuliebe, als eine Schwester ansehen und behandeln werde. Der Kaufmann erklärte, mit allem zufrieden zu sein, was ihr gefällig wäre, und gab sie, um sie vor aller Verunglimpfung auf der Reise nach Zypern zu schützen, als seine Frau aus. Auf dem Schiff wurde ihnen ein Kämmerchen im Hinterteil zugewiesen, und sie schliefen, um nicht durch die Tat ihren Worten zu widersprechen, in einem kleinen Bettchen beide nebeneinander. So geschah denn, was bei der Abreise von Rhodos weder des einen noch des ändern Absicht gewesen war. Nacht, Gelegenheit und Wärme des Bettes, deren erregende Kräfte nicht gering sind, ließen sie die Freundschaft für den verstorbenen Antiochus vergessen, und von gleich großer Lust hingerissen, einer den anderen anziehend, feierten sie Hochzeit, noch ehe sie nach Baffa, dem Wohnort des Zypriers, gelangten.
    Als nun die Dame in Baffa noch einige Zeit bei dem Kaufmann gewohnt hatte, kam glücklicherweise ein Edelmann namens Antigonus dorthin, der mit einem hohen Alter und noch höherem Geiste geringe irdische Reichtümer verband, weil ihm das Glück in mancherlei Unternehmungen, die er im Dienste des Königs von Zypern gemacht, stets zuwider gewesen war. Dieser ging eines Tages, als der zyprische Kaufmann gerade mit Waren nach Armenien gereist war, vor dem Hause

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