Das Deutsche als Männersprache
(1981: 25).
Die »dämlichen Fräuleins« stellen mit Genugtuung fest, daß die »Beobachtungen zum sprachlichen Geschehen 1982«, vorgelegt im Sprachdienst 83/1-2 von Gerhard Müller und Helmut Walther, wesentlich frauenbewußter und — freundlicher geraten sind als die Carstensen sehen Auslassungen.
3 Zur Geschichte und Motivation feministischer Sprachkritik und -politik in der Bundesrepublik
Nach dem Zusammenbruch der Naziherrschaft kam die große Entnazifizierung durch die Alliierten. Nicht nur die Deutschen wurden, mit mehr oder weniger Erfolg, entnazifiziert, sondern (z.B.) auch die Schulbücher. Daß unsere Schulbücher heute patriarchalisch geprägt sind, ist seit langem bekannt und wissenschaftlich breit belegt — eine der zahllosen wissenschaftlichen Leistungen der Frauenbewegung. 33 Eine Entpatrifizierung ist jedoch nicht in Sicht und von den Herren in den Kultusministerien auch schwerlich zu erwarten, so wenig wie zu erwarten war, daß sich das Naziregime etwa selbst entnazifiziert hätte.
Aber unsere Muttersprache! Sie wird uns nicht von Kultusministerien verordnet und vorgeschrieben. Sie manipuliert uns nicht nur — wir können sie auch ganz bewußt verändern. Wir erleben sie als etwas Fremdes, Erworbenes (wäre ich in Spanien aufgewachsen, spräche ich Spanisch als Muttersprache!) und zugleich Eigenes, Eingewachsenes. Normalerweise wird dieses Fremde schließlich als das Ur-Eigene anerkannt und verteidigt, wie eine ursprünglich aufgezwungene Gewohnheit, von der ich nicht mehr lassen kann oder will. Grundsätzlich hindert mich aber nichts, dies angewachsene Eigene als mir letztlich Übergestülptes, Fremdes zu erkennen. Dies getan, hindert mich nichts daran, Brauchbares von dem Fremden beizubehalten und Unbrauchbares, Schädliches durch wirklich Eigenes, meinen eigenen Bedürfnissen und Interessen Entsprechendes, zu ersetzen.
Genau dies tut die Frauenbewegung in ihren auf die Sprache bezogenen Aktivitäten. Der wichtigste, den Gesamtprozeß einleitende Schritt war wohl der der Bewußtwerdung: der »fremde Blick« auf das vorgeblich oder mutmaßlich »ganz Eigene«. Wer hat denn schon in den fünfziger oder sechziger bis weit in die siebziger Jahre darüber nachgedacht und daran Anstoß genommen, daß engl. man, frz. homme, it. uomo, span. hombre sowohl >Mann< als auch >Mensch< bedeutet?! Daß dt. man, entstanden aus Mann, auf »Menschen im allgemeinem referiert?! Niemand hat da »parasitäre Referenz« 34 gewittert, obwohl es in Wirtschaft und Werbung als großer Sieg gefeiert wird, wenn ein Markenname den gewaltigen Sprung zum Gattungsnamen geschafft hat (z.B. Tempotaschentuch für »Papiertaschentuch im allgemeinem). Der entsprechende Sieg des Mannes über die Konkurrentin Frau lag schon so weit zurück, daß es keiner mehr bewußt war.
Es gehört zum soziologischen Grundwissen (leider nicht zum Allgemeinwissen), daß Herrschaft um so reibungsloser funktioniert, je weniger sie den Beherrschten bewußt ist. Schon Anfang der siebziger Jahre fingen einige frauenbewußte Frauen an, gegen die Dominanz des Männlichen auch in der Sprache die unterschiedlichsten Maßnahmen zu ergreifen — von der Schocktherapie des frau statt man bis zur sanften Geburt zahlloser Neubildungen auf -in . Die Reaktionen der übrigen Sprachgemeinschaft waren sehr unterschiedlich. Die meisten fanden solche Maßnahmen wohl schlicht »verrückt, aber harmlos« — die übliche Reaktion auf Neues und Fremdes, das uns »letztlich nichts angeht«, vor allem aber: unsere Ordnung nicht berührt oder gar bedroht. Sollten »die« doch ruhig frau s tatt man sagen und sich damit lächerlich machen. Aber dann, später, so ein blödsinniges Wort wie Diplom-Kauffrau auch noch offiziell als Titel zu verlangen, das ging ja schon ein bißchen weit. Das war nicht mehr nur »lächerlich« oder »verrückt« — diese Verkniffenheit wurde schon regelrecht lästig. Wörter zwangseinführen, andere zwangsabschaffen (Fräulein), ehrwürdiges Namensrecht ändern — nur lästig, ärgerlich, unbequem. Und das ganze Gekeife und Getobe letztlich doch um nichts, Aggressionen an die falsche Adresse. Gut, die Frau mag ja wirklich benachteiligt sein, aber was soll das mit Sprache zu tun haben?! Ändert die Realität, dann ändert sich doch die Sprache automatisch. Es auf dem umgekehrten Wege versuchen zu wollen — einfach Schwachsinn!
Natürlich wollen wir »die Realität« ändern. Erstens ist Sprache, Sprechen, sprachliches Handeln heute wohl
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