Das Deutsche als Männersprache
empfiehlt sich Vorlesen in trautem Freundinnenkreis. Zwei Männer, gute Freunde, gestanden mir übrigens, sie hätten das Buch bald weggelegt, die Sprache sei ihnen zu penetrant, und überhaupt alles.
Quod erat demonstrandum. Gerd Brantenberg und Elke Radicke, die Übersetzerin, konnten kaum sinnfälliger bestätigt werden. Penetrant, in der Tat — ist für uns Frauen diese Männersprache, und überhaupt alles.
1981
Frauen entpatrifizieren die Sprache Feminisierungstendenzen im heutigen Deutsch 25
Deutschland braucht Kerle, auf die man sich verlassen kann. Helmut Schmidt, 1982
Eine neue Sprache muß eine neue Gangart haben, und diese Gangart hat sie nur, wenn ein neuer Geist sie bewohnt. Ingehorg Bachmann
1 Einleitung: Das Gesetz »Weiblich gleich zweitrangig«
Seit Ende der sechziger Jahre gibt es die neue Frauenbewegung. Ausgehend von den USA (im Anschluß an die Bürgerrechtsbewegung) hat sie sich im Laufe der siebziger Jahre zu einer starken internationalen Bewegung entwickelt. Wie jede politische Bewegung befaßt auch sie sich eingehend mit Sprache; vor allem übt sie Sprachkritik in sowohl konstatierend-analytischer als auch in »umstürzlerischer«, d.h. sprachschöpferischerWeise: Die Herrschaft des männlichen Prinzips in der Sprache wird entweder kritisch festgestellt 26 oder durch das Erfinden und Verwenden neuer Regeln und Redeweisen gebrochen. 27 Im deutschen Sprachraum dürfte das neue Indefinitpronomen frau anstelle des oder neben dem früher alleinregierenden man die provokanteste und bekannteste Sprachneuerung sein.
Feministische Linguistinnen haben festgestellt, daß die in unserer patriarchalischen Kultur allgemein geltende Regel »weiblich gleich zweitrangig« für das Gebiet Sprache in extremer Weise gültig ist. 28 Ich möchte dieses Gesetz zunächst mit zwei Beispielen illustrieren.
Vor einiger Zeit unterhielt ich mich, wieder mal, mit einem Kollegen über das heiße Thema »Frauensprache — Männersprache«. Ich erzählte ihm von der in etlichen Frauengruppen inzwischen üblichen Praxis, statt des bisherigen »geschlechtsneutralen« Maskulinums ein geschlechtsneutrales Femininum zu benutzen. Nach herrschendem Sprachgebrauch seien wir beide >Linguisten<, Wissenschaftler«. Nach den neuen Regeln seien wir dagegen beide Linguistinnen, er eine männliche und ich eine weibliche. Der Kollege meinte dazu ganz spontan und emotional, nein, das gefiele ihm nun aber überhaupt nicht. Als ich ihn nach den Gründen für seine Reaktion fragte, konnte er keine nennen. Es ging ihm »einfach nur« ganz gewaltig gegen den Strich, gegen die Natur sozusagen.
Kein Wunder, meine ich: Er hatte eine Abwertung erfahren, war sprachlich als »weiblich« klassifiziert worden — für Männer, in unserer Kultur, anscheinend noch immer »das Allerletzte«.
Ich werde in diesem Aufsatz das geschlechtsneutrale oder »umfassende« Femininum so verwenden, wie sonst das Maskulinum verwendet wird. Wenn ich von >Linguistinnen< oder >Leserinnen< rede, sind Männer also immer mitgemeint. Wenn ausschließlich Frauen oder ausschließlich Männer gemeint sind, heißt es >weibliche< bzw. >männliche Linguistinnen/Leserinnen...<.
Dieses Vorgehen hat einerseits didaktische Gründe, andererseits möchte ich Form und Inhalt meiner Aussagen zur Deckung bringen. 29
Zweites Beispiel für die Regel »weiblich gleich zweitrangig«: Es gibt eine Formel für Lobsprüche mit folgender Struktur:
Er/Sie ist ein zweiter x.
Die x-Stelle kann gefüllt werden mit Namen berühmter Männer, z.B.:
Er/Sie ist ein zweiter Einstein/Picasso/Heifetz/Gandhi/...
Für Kinder lautet das Lob:
Er/Sie ist ein/unser kleiner Einstein/Picasso/...
Soll eine Frau oder ein Mädchen gelobt werden, so kann an der x-Stelle auch der Name einer berühmten Frau stehen:
Sie ist eine zweite/unsere kleine Marie Curie/Mutter Teresa/...
Für Frauen finden wir das Lob außerdem in folgender Form: Erica Jong ist ein weiblicher Henry Miller.
Die Umkehrung jedoch »funktioniert nicht«. Der junge Brahms wäre vermutlich beleidigt gewesen, hätte Freund Schumann seine pianistischen Fertigkeiten wie folgt gepriesen:
Johannes Brahms ist eine männliche Clara Schumann.
Hätte Dinu Lipatti zu einer »männlichen Clara Haskil« hochgelobt werden können oder irgendeine unserer männlichen Nachkriegslyrikerinnen zu einer »männlichen Ingeborg Bachmann«? Ich kann es mir schwer vorstellen, denn auch ich habe zunächst die Gesetze der herrschenden symbolischen Ordnung
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