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Das Deutsche als Männersprache

Das Deutsche als Männersprache

Titel: Das Deutsche als Männersprache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luise F. Pusch
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erlernt und verinnerlicht.
    Ein Satz wie »Paul Celan war eine männliche Ingeborg Bach-mann/Nelly Sachs« kann innerhalb unseres semantischen Systems einfach keine gelungene Laudatio sein, weil »Feminisierung« eines Mannes gleichbedeutend ist mit Deklassierung. Frauen hingegen können nicht auf einen zweiten Rang verwiesen werden, weil sie sich dort bereits befinden. Sie können durch »Maskulinisierung« allenfalls »emporgehoben« werden.
    Soweit die Hintergründe, ganz knapp skizziert. Jede und jeder wird einsehen, daß es nur eine einzige Strategie geben kann, diese zugrundeliegende semantische Mechanik aufzubrechen: Aufwertung des Femininums durch selbstbewußten, konsequenten und forcierten Gebrauch. Genau das tue ich hier, und genau das haben viele Frauen hierzulande und anderswo in den letzten Jahren getan. Sie sprechen und schreiben inzwischen schon erheblich anders als es noch vor 20, 15 oder 10 Jahren üblich war, und dieses Anders-Sprechen hat unübersehbare Konsequenzen auch für die sogenannte »Gemeinsprache«. Vor unseren Augen vollzieht sich ein bemerkenswerter und linguistisch hochinteressanter Sprachwandel, dessen Grundzüge ich in diesem Aufsatz beschreiben und mit Beispielen belegen werde.
    Zuvor jedoch möchte ich untersuchen, inwieweit und in welcher Form dieser von Frauen initiierte Sprachwandel von meinen männlichen Kolleginnen registriert wird.

2 Maskulinguistik in der Bundesrepublik: Frauensprache? Fehlanzeige!

    Nach meiner Auffassung ist die von Frauen in den vergangenen zehn Jahren geleistete sprachkritische, sprachpolitische und sprachschöpferische Arbeit der zentrale und wohl auch rein linguistisch auffälligste Beitrag zum laufenden Sprachwandel. Linguistisch relevant und von den übrigen Beiträgen grundsätzlich verschieden ist er aus folgendem Grund: Der »normale« Sprachwandel betrifft vor allem den Wortschatz — alte Wörter und Redewendungen verschwinden aus der Gemeinsprache, neue kommen hinzu — der bekannte und normale Vorgang, wie schon immer gehabt. Der von Frauen in Gang gesetzte Sprachwandel hingegen bringt nicht nur laufend neue Wörter und Begriffe hervor 30 , sondern er verändert unser System grammatischer Regeln , vor allem im Bereich der Kongruenz. Es geht diesmal ans oder ums »Eingemachte«, um die (patriarchalische) Substanz, nicht nur um lexikalisches Beiwerk. Eigenartigerweise aber werden diese sozusagen grundlegenden (einen neuen Grund legenden) Veränderungen von den mit der deutschen Sprache offiziell befaßten Institutionen kaum zur Kenntnis genommen. Als Beispiel möchte ich die Gesellschaft für deutsche Sprache anführen mit ihrem Publikationsorgan Der Spracbdienst. Im zweimonatlich erscheinenden Sprachdienst werden regelmäßig die »Neuerwerbungen« der deutschen Sprache registriert und kommentiert. 1978 erschien in zwei Abteilungen ein Aufsatz von Uwe Förster, hauptamtlichem Mitarbeiter der Gesellschaft für deutsche Sprache, mit dem Titel »Wortzuwachs und Stilempfinden im Deutsch der siebziger Jahre«. 31 In dieser an sich verdienstvollen, interessanten und gründlichen Arbeit findet sich kein einziges Wort über den Beitrag der Frauenbewegung zum »Wortzuwachs und Stilempfinden (!) der siebziger Jahre«. Und das, obwohl der Autor über die wahrscheinlich reichste Quelle an Informationen über den laufenden Sprachwandel verfügt, die es in der Bundesrepublik gibt, wie er selbst bekundet:

    Wo findet man Neologismen? Will man sich nicht auf Zufallsfunde verlassen, so muß auf ein Korpus zurückgegriffen werden. Mein Korpus ist die Zeitschrift Der Sprachdienst (DS). Die Sprachpflegezeitschrift wendet sich an sprachlich interessierte Leser aller Berufskreise in mehr als vierzig Ländern der Erde. Von ihnen erhält Der Sprachdienst ein ebenso reges wie differenziertes Leserecho. Seit seinem ersten Erscheinen im Oktober 1957 widmet er seine besondere Aufmerksamkeit dem, »was noch nicht im Wörterbuch steht«, zur Zeit vor allem unter der Rubrik »Auffälligkeiten«.
    Jede Wörterbuchredaktion findet im Sprach dienst Material. Das zeigt ein Blick in das gerade abgeschlossene WbGeg. (das sechsbändige Wörterbuch der deutschen Gegenwartssprache von Klappenbach&Steinitz, Ostberlin 1961-1977 — L.F.P.) ebenso wie der Vergleich verschiedener Auflagen der Duden-Rechtschreibung oder des Deutschen Wörterbuchs von Gerhard Wah-rig (Gütersloh). (1978a: 66)

    Allerdings legt sich Förster in seiner Darstellung folgende Beschränkung auf:

    Unter

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