Das Deutsche als Männersprache
sich erkenntlich mit zwei Sätzen auf einer Postkarte: »Da Sie sich die Mühe gemacht und mir ziemlich ausführlich... geschrieben haben, möchte ich mich wenigstens dafür bedanken. Vielleicht bin ich kein guter >Gegner< weil in der Regel lieber ein Mensch, als nur ein Mann .«
Mai 1983
Eine halbe Sekretärin
In der Zeit vom 27. Mai 83 (S. 34) schreibt Joachim Dyck, Professor für Neuere deutsche Literaturwissenschaft an der Universität Oldenburg:
Die meisten Kollegen, die jetzt die 50 überschritten haben, wurden auf Lehrstühle berufen, die »ausgestattet« sind: eine Sekretärin (mindestens eine halbe), eine wissenschaftliche Hilfskraft, einen Assistenten zur persönlichen Verfügung.
Von dem Wort ausgestattet distanziert sich der Professor, indem er es in Gänsefüßchen setzt. Er bedient sich zwar der gängigen Ausdrucksweise, gibt aber gleichzeitig zu verstehen, daß er sie nicht recht passend findet. Warum, das erfahren wir nicht. Meine Vermutung: Der Professor weiß auch, daß eine Ausstattung normalerweise aus Dingen, Ausstattungsstücke«, besteht. Ein Zimmer wird mit Möbeln ausgestattet. Hier aber wird ein Möbelstück mit Menschen ausgestattet: mit einer Sekretärin, einer Hilfskraft, einem Assistenten. Und das findet der Professor vielleicht auch etwas unfreundlich diesen Menschen gegenüber, selbst wenn mit ihnen kein x-beliebiger Stuhl, sondern ein Lehrstuhl ausgestattet wird.
So weit, so feinfühlig. Schließlich darf mensch von einem Literaturprofessor auch eine gewisse Sprachsensibilität erwarten — dafür wird er ja bezahlt.
Die halbe Sekretärin dagegen bekommt von ihm keine distanzierenden Gänsefüßchen, mit denen sie sich über ihre Totalverstümmelung oder Zersägung (oder wie soll ich mir diese arme halbierte Frau vorstellen?) hinwegtrösten könnte. Halbe Sekretärinnen findet der Professor völlig normal. Kein Grund, das Sprachsensibelchen hervorzukehren. Und daß die Kollegen drei Unter-Menschen zu ihrer persönlichen Verfügung haben, findet er auch nicht gänsefüßchenreif.
Nur ein kurzer Satz — aber er hat es in sich! Die Kollegen , der Assistent treten als Maskulina auf. Nun wissen wir aber, daß der Professor auch Kolleg innen hat, wenn auch nur ganz wenige, und daß es auch ein paar Uni-Assistentz»«e« gibt. Ob ihr Kollege sie einfach übersehen hat oder ob sie sich »mitgemeint« fühlen sollen, das verrät der Satz nicht. An anderer Stelle des Textes wird es noch rätselhafter. Da heißt es über Hochschullehrer, sie hätten »Probleme mit Frau oder Freund«. Darf der Hochschullehrer heutzutage statt Frau auch schon mal einen Freund haben? Oder bezieht sich das oder Freund auf die Hochschullehrer/«, von der mann ja weiß, daß sie es nicht zu einem Ehemann bringt, höchstens zu einem Freund?
Da fruchtloses Grübeln ungesund ist, halten wir uns lieber an die weniger dunklen Stellen des Textes. Sonnenklar ist jedenfalls, daß di e Sekretärinnen, ob halbiert oder unversehrt, eine geschlossene weibliche Gesellschaft bilden. In diesen Kreis der Halbierbaren verirrt sich kein Mann.
Ein Lied aus uralten Zeiten, das geht mir nicht aus dem Sinn:
Seht ihr die Mondin stehen?
Sie ist nur halb zu sehen
Und ist doch rund und schön.
Juli 1983
Frauen und Lesben?
Seit einiger Zeit gibt es an einigen deutschen Universitäten »Frauen- und Lesbenreferate«. Die Uni Oldenburg hat damit angefangen, sagten mir stolz die Frauen des dortigen Referats. Die sonst übliche Bezeichnung »Frauenreferat« hätte ihnen nicht zugesagt, weil sie die vielen mitarbeitenden und anzusprechenden Lesben unsichtbar läßt.
Viele Frauen an der Uni sind Lesben, und obwohl es »natürlich« keine Statistik gibt, weiß jede frauenbewegte Unifrau, daß Lesben sowohl in den Frauenreferaten als auch allgemein unter Studentinnen und Dozentinnen prozentual weit stärker vertreten sind als in der weiblichen Gesamtbevölkerung. Auch ich finde es daher sehr wichtig, daß lesbe sprachlich endlich sichtbar wird entsprechend ihrem Rang.
Also alles prima mit der Erweiterung des »Frauenreferats« zum »Frauen- und Lesbenreferat«? Ich finde nein!
Frauen und Lesben — das ist, bedeutungsmäßig, eine total absurde Konstruktion, ähnlich wie Südfrüchte und Apfelsinen, denn Lesben sind bekanntlich Frauen und Apfelsinen sind Südfrüchte. Wenn die Konstruktion nur absurd wäre, könnte es ja noch angehen — absurd kann ja sehr schön und witzig und erfrischend sein. Aber diese Konstruktion ist
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