Das Deutsche als Männersprache
uns, weshalb wir auch das Fräulein abgeschafft haben ( das Mädchen ist ein Fall, mit dem wir uns bald beschäftigen sollten/werden).
Obwohl nun das Substantiv Weib nicht mehr wie früher durch sämtliche Texte geistert, die von Frauen handeln, führen wir die Silbe weib doch beständig im Munde: weiblich und Weiblichkeit sind vermutlich neben Frau die in der Neuen Frauenbewegung hierzulande am häufigsten benutzten Wörter. Wir haben nämlich keine anderen. Die Ableitungsreihe für Mann heißt, schlicht und logisch: männlich , Männlichkeit. Für Frau dagegen heißt sie, kompliziert und unlogisch: weiblich, Weiblichkeit. Fraulich und Fraulichkeit können wir nicht verwenden, weil ihre Bedeutung zu eng ist und von vielen noch dazu als negativ empfunden wird. Wohingegen weiblich und Weiblichkeit wertfrei sind, im Gegensatz zu Weib. Findet ihr noch einigermaßen durch? Die Verwirrung stifte nicht etwa ich, sondern sie ist System. Die deutsche Sprache als Frauen-Verwirr-System.
Schlägt frau die Wörterbücher auf, um sich über den Ursprung der Verwirrung aufzuklären, so wird sie dies Ziel nicht erreichen, aber sie kann erstaunliche Entdeckungen machen. (Mach dir ein paar vergnügte Stunden — schlag nach unter Weib !) Was die Herren da wieder an Überraschungen für uns parat haben, ist schon einzig. Es ist nämlich bis heute nicht geklärt, auf welche Wurzel das Wort zurückgeht. Deshalb sind der »wissenschaftlichen« Spekulation Tor und Tür geöffnet. Und die sieht, etwa im Fall des Duden-Herkunftswörterbuchs, so aus: Vielleicht gehen Weib und vibrieren auf dieselbe Wurzel zurück (olala!). Das Wei von Weib steckt auch in dem Wort Weide, wo es soviel wie »sich drehen, winden« bedeutet.
Und nun die zwingende Schlußfolgerung, Originalton Duden: »>Weib< würde demnach eigtl. >die sich hin und her bewegende, geschäftige (Haus)frau< bedeuten .«
Merke, oh Weib: Wenn frau sich schon bewegt, dann bitte nur im Hause und als Hausfrau.
November 1982
Gegrüßet seist du, Josef!
Die schöne Weihnachtszeit ist da und lädt uns ein, mal wieder über Maria und Josef nachzudenken. Sie waren ja in vieler Hinsicht ein denkwürdiges Paar. Wenn wir sie mit anderen berühmten Paaren vergleichen, z.B. mit Adam und Eva, Hänsel und Gretel, Caesar und Cleopatra, Dante und Beatrice, Abaelard und Heloise, Tristan und Isolde, Herodes und Mariamne, Hermann und Dorothea, Romeo und Julia — so steht dieses Paar, Maria und Josef, vollends einzigartig da: Wird doch diese Maria, obwohl bloß eine Frau, immer an erster Stelle genannt! Josef und Maria , das klänge uns so verquer in den Ohren wie Isolde und Tristan oder Gretel und Hänsel oder wie quer und kreuz statt kreuz und quer.
Es gibt viele Möglichkeiten, eine Rangordnung zu symbolisieren. In der bildenden Kunst z. B. geschieht es mittels der Größe und der Gruppierung im Vorder- bzw. Hintergrund. Die Hauptperson steht in der Regel im Vordergrund und ist größer dar gestellt als die Nebenfiguren.
In der Sprache ist die Reihenfolge das Mittel, um die Rangordnung auszudrücken: Die Hauptperson oder Hauptsache wird an erster Stelle genannt, alle weiteren haben sich auf den darauffolgenden Plätzen zu arrangieren: Vater, Sohn und Heiliger Geist. CDU/CSU. Die Regierung Schmidt/Genscher bzw. Kohl/Genscher. Er, sie, es. Vater und Sohn. Mutter und Kind. Bruder und Schwester. Mann und Frau. Herr und Frau Müller. Du sollst deinen Vater und deine Mutter ehren.
Dies ist der graue Alltag und die graue Wirklichkeit: Die Frau an seiner Seite und auf ihrem, dem zweiten Platz, wo die Nebensachen eben hingehören. Damit der graue Alltag uns Zweitrangigen ein bißchen vergoldet werde, gibt es die Formen der Höflichkeit und die sogenannte Ritterlichkeit. »Ladies first« heißt es dann, und mann läßt uns den Vortritt. Die Festreden beginnen mit »Sehr geehrte Damen und Herren« — aber das Fest endet mit »Wein, Weib und Gesang«.
Und drittens gibt es, neben dem grauen Alltag und dessen gelegentlicher Verunklarung durch das Ladies-first-Gerede, drittens gibt es auch noch Wunder. Eine Frau wird Königin oder sogar Muttergottes. (Päpstin? Nicht doch!) Frau und zweitrangig hin oder her, es hilft nix, sie muß auf den ersten Platz, der Mann auf den zweiten: Queen Victoria und Prinz Albert, Queen Elizabeth und Prinz Philip, Königin Beatrix und Prinz Claus.
Gegrüßet seist du, Maria! Aber du auch, Josef.
Dezember 1982
Die Zukunft ist weiblich?
Ein Professor der Psychologie
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