Das Deutsche als Männersprache
Atombombe ist weiblich, und der Frieden ist männlich .«
Februar 1982
Der Richtige
Wann hat schon mal eine von uns 6 Richtige im Lotto angekreuzt?! Ich kenne keine einzige. Anders bei den Wahlen — da haben wir es seit Bestehen der Bundesrepublik insgesamt auf stolze 6 Richtige gebracht: Adenauer, Erhard, Kiesinger, Brandt, Schmidt und Kohl. Bei Kohl mußten wir noch nicht mal ein Kreuzchen machen und bekamen trotzdem den Richtigen.
Sonst immer diese enttäuschende und langweilige Warterei auf »den Richtigen«, der dereinst kommen soll und doch nie in Sicht ist — hier, in der Politik, ist dafür gesorgt, daß wir weder warten noch wählen müssen, sondern auf jeden Fall einen abkriegen, und zwar den Richtigen. Weil in der Politik der Richtige eben automatisch das Richtige ist für uns. Die Richtige dagegen — wie das schon klingt! Genauso paradox wie die Staatsfrau, die Regierungsfrauschaft oder der Schwangere.
Deshalb brauchen wir uns auch um den 6. März gar keine Gedanken zu machen. Ob gewählt wird oder nicht, ob wir rot, grün, braun, schwarz, tiefschwarz oder gar nicht wählen — der Richtige ist uns auf jeden Fall gewiß. Er fällt uns in den Schoß, ob wir ihn da haben wollen oder nicht.
Wer die Wahl hat, hat die Qual. Und die Wahl hat in unserem Lande, gerne Vaterland genannt, der Wähler. Nur er muß sich mit der Frage abquälen, welche der diversen Männerriegen seine Interessen am besten vertritt. Uns Frauen bleibt alle Qual erspart, in diesem unserem Lande.
Unserem?
März 1983
Dieter Lattmensch
Im Jahre 1980 haben meine Kolleginnen Guentherodt, Hellinger, Trömel-Plötz und ich in der Fachzeitschrift Linguistische Berichte »Richtlinien zur Vermeidung sexistischen Sprachgebrauchs« veröffentlicht. Vergleichbare Richtlinien gibt es in den USA schon seit über zehn Jahren. Große Verlage und Berufsorganisationen lehnen z. B. den Abdruck von Manuskripten ab, wenn sie nicht den Richtlinien entsprechend formuliert sind.
Auch in der Bundesrepublik gibt es große Organisationen, die sich von Berufs wegen mit Sprache befassen. Eine von ihnen ist der Verband deutscher Schriftsteller (sic). Bundesvorsitzender dieses Verbandes von 1969-73 war Dieter Lattmann. 1968 war er Präsident der Bundesvereinigung deutscher Schriftstellerverbände. Von 1972-80 war er Mitglied des Bundestags (SPD).
Am 13. Februar 1983 sendete der Hessische Rundfunk einen 10-Minuten-Kommentar von Dieter Lattmann über unsere Richtlinien. O-Ton Lattmann:
Als Mann von heute, verunsichert durch Feminismus, wie es sich gehört, habe ich hinreichend begriffen: Will ich meinem Geschlecht nicht auch noch mißbräuchlich in der Sprache frönen, muß ich vor allem auf die Endungen achten. [...] Ein solches Programm schüchtert Leute wie mich nur noch zusätzlich ein. Weiß ich doch ohnehin nicht, wie ich es bei der Wortwahl richten soll, um nicht ständig als Chauvi dazustehen. [...] Mit subjektiver Erfahrung hat jene Generalverdammnis für mich ohnehin kaum etwas ,zu tun, denn, wie so viele meinesgleichen, wurde ich von Kindesbeinen an über die Schule bis ins Private und zum Teil selbst im Beruf eher von zugreifender Weiblichkeit als von entschiedenen Männern geprägt. (Armer Dieter — selbst im Beruf?!)
Nun hat, genau besehen, ein solches Programm auch seine Tük-ken: wenn nämlich... die >Männer des 20. Juli< durch die >Frauen und Männer< ersetzt werden, hapert es mit der Geschichte. [...] Andererseits bleibt es wohl allzu vordergründig verstanden, wollten die Linguistinnen ernstlich... die >Woche der Brüderlichkeit< durch die >Woche der Menschlichkeit< austauschen, denn mit dem biblischen Bruder ist seit alters wie auch mit Jungfrau und Mutter etwas umfassender Menschliches gemeint. (Na gut — einigen wir uns also auf >Woche der Mütterlichkeit)
Die Sprache ist in Bewegung. Sie korrigiert das Antiquierte und weiß sich selber Rat. Diesen Prozeß gilt es zu fördern. Aber nicht ihm durch neue Restriktion Gewalt anzutun. (Immer diese gewalttätigen Frauen!)
Stellt sich doch uns Dieter hin — und blamiert sich öffentlich bis auf die Knochen. Weibliches Mitleid regte sich in mir, und ich schrieb ihm einen langen Brief voll kostenloser Nachhilfe. Wies ihn z. B. darauf hin, daß wir die schöne Formulierung >Die Frauen und Männer des 20. Juli< seinem Genossen Helmut Schmidt verdanken, bei dem es anscheinend weniger mit der Geschichte hapert als beim Genossen Lattmann. Und so weiter und so fort.
Dieter zeigte
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