Das Deutsche als Männersprache
schickte mir neulich folgenden Kommentar zu meinen »Aktivitäten in Sachen Sprache und Geschlecht«: Gegen diesen ausgesprochenen Feminismus und die von ihm propagierte Umwandlung der Sprache habe er doch einiges einzuwenden. Und außerdem heiße es immerhin die Sonne und der Mond. Das Hauptgestirn sei also im Deutschen — im Gegensatz zu den meisten anderen Sprachen — ein Femininum. Was doch wohl dafür spreche, daß das Weibliche durchaus nicht zweitrangig sei.
Viele Männer argumentieren so kindlich bis verworren, wie es dieser Professor tut. Unsere liebe Frau Sonne, Spenderin der Wärme, des Lichtes, ja des Lebens, sie ist weiblich — also gib dich schon endlich zufrieden, zänkisches Weib! Meist werden noch andere holde Weiblichkeiten mit angeführt: Mutter Erde, Mutter Natur, die Liebe, die Treue, die Freiheit, die Gerechtigkeit, die Weisheit, die Klugheit, die Stärke, die Kraft, die Kühnheit, die Kunst, die Musik, die Malerei und die Literatur. In den romanischen Sprachen ist sogar das Leben selbst weiblich: La vie, la vita, la vida.
Und die Dummheit? Die Schwäche? Die Falschheit? Die Verderbtheit? Die Niedertracht und die Heimtücke? Die Sünde, die Sucht und die Krankheit? Die Bosheit und die Gemeinheit? Klar, die sind auch alle weiblich, typisch weiblich sogar! Die Frau ist nun mal ein schillerndes, widersprüchliches, unergründliches Wesen.
Was nun den Mann betrifft — männlich sind der Mut, der Verstand, der Geist, der Genius (deutsch leider das Genie), der Kampf-und der Tod. Der Staat ist Vater Staat, und der Krieg ist der Vater aller Dinge. Und die Polizei? Sie ist nur aus Versehen weiblich. Das sehen wir schon daran, daß sie unser Freund und Helfer ist, nicht unsere Freundin etwa. Oder gar Helferin.
Wenn gilt »Die Zukunft ist weiblich«, so muß auch gelten »Die Vergangenheit und die Gegenwart sind weiblich«. Wollen wir das wirklich? Diese Gegenwart und jene Vergangenheit sollen auch noch weiblich sein?!
Es ist — natürlich — alles nicht ganz so simpel. Die Sprache, ebenfalls weiblich(?), ist viel zu kompliziert und komplex für so schlichte Zuschreibungen und Erklärungsversuche.
Die Menschen sind nicht herumgegangen und haben die »weiblichen« Dinge und Begriffe wie Nadel und Liebe mit einem Femininum belegt und die »männlichen« wi e Speer und Kampf mit einem Maskulinum. Diese These vertrat die Sprachwissenschaft zwar noch im 19. Jahrhundert, aber sie ist inzwischen widerlegt, seit wir wissen, daß »der primitive Mensch«, der solcherart naiv benennend herumspaziert sein soll, nur in unserer überheblichen Einbildung existiert. Unhaltbar ist diese These auch, weil sie nicht erklärt, warum der »naiv personifizierende Mensch« Sprachen ausgebildet hat, die überhaupt kein grammatisches Geschlecht haben (z.B. Chinesisch, Türkisch, Mongolisch, Finnisch, Ungarisch).
Tatsache ist, daß in denjenigen Sprachen, die grammatisches Geschlecht haben, Frauen meist mit femininen und Männer mit maskulinen Wörtern bezeichnet werden. Tatsache ist weiterhin, daß die Genera (Geschlechter) auf den (gewaltigen!) »Rest« Wortschatz beliebig verteilt sind und dort nichts, aber auch rein gar nichts, mit »weiblich« oder »männlich« im biologischen oder mythologischen oder irgendeinem sonstwie »einleuchtenden« Sinn zu tun haben. Im Deutschen ist der Tod »männlich«, im Französischen und Italienischen »weiblich«: la mort , la morte. Im Deutschen ist die Liebe »weiblich«, im Französischen und Italienischen ist sie »männlich«. Im Deutschen und Italienischen ist der Tisch »männlich«, im Französischen »weiblich«. Im Deutschen ist das Messer »sächlich«, im Französischen und Italienischen »männlich«.
Tatsache ist schließlich, daß wir alle (einschließlich jenes Psy-cho-Profs) dazu neigen, bei der Personifikation von Gegenständen und abstrakten Begriffen uns erstmal an das grammatische Geschlecht zu halten. Der Staat wird zu »Vater Staat«, weil es zufällig der Staat heißt (und auch sonst nicht ganz unpassend scheint!). In Cocteaus Film »Orphée« tritt derTod als Frau auf, weil es im Französischen la mort heißt. Wir Deutschen hingegen kennen den »Gevatter Tod«, den Sensen mann. Und wir kennen Frau Sonne, die für den Hl. Franziskus, »natürlich«, Bruder Sonne war.
Übersetzen wir mal »Die Zukunft ist weiblich« ins Französische und Italienische: »Le futur est masculin .« — »II futuro è maschile .« Klingt toll, nicht? Fast so schön wie: »Die
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