Das Doppelbett
ließ einen erschrockenen Laut hören und beugte sich vornüber. Es lief an ihren Schenkeln entlang, und sie langte nach der Rolle mit Gesichtspapier.
Sie steckte zwei Zigaretten an, gab mir eine und legte sich wieder neben mich. Die Motoren dröhnten, und es war warm in der Kabine.
»Hallo«, sagte sie.
»Ich danke auch«, meinte ich.
Wir rauchten. Die Koje vibrierte leicht.
»Bist du verheiratet?« fragte ich.
Sie nickte.
»Kinder?«
Sie hob zwei Finger.
»Wie lange bist du«, sagte sie, »ich meine...«
»Gigolo gewesen?«
Sie rauchte. »Das klingt nicht gut«, sagte sie.
»Nein«, sagte ich, »das ist es auch nicht.«
»Danke«, sagte Elisabeth.
»Das meinte ich nicht so«, sagte ich.
»Gigolo«, sagte sie. »Das läßt mich an uralte Tanten mit vielen Diamanten denken.«
»Es ist bloß eine Sommerarbeit«, sagte ich.
»Ist ja auch gleich«, sagte Elisabeth. »Aber würdest du nach Haarwasser riechen und ein Menjoubärtchen haben, so hätte ich verzichtet.«
Sie war anders als vorhin beim Essen, sprach und wirkte ganz ruhig. Ich wurde mir nicht richtig klar über sie, und mein Herz klopfte nervös.
»Es klingt nicht so, als wenn du aus London bist«, sagte ich. »Wo wohnst du in England?«
»Ich wohne nicht in England!« sagte Elisabeth.
»Das haben die mir jedenfalls gesagt«, meinte ich.
»Ich bin Schwedin«, sagte Elisabeth. »Ich wohne in Stockholm.«
Die Motoren dröhnten. Es war sehr warm.
»Du weißt, Schweden?« sagte Elisabeth. »Sweden, Scandinavia.«
Unsere Reiseroute auf Sizilien ging über Palermo, Agrigento, Syracusa, Catania. Von Catania sah ich bloß den Flugplatz. Sechs Tage mit Elisabeth, Sveavägen 100, Stockholm, Sweden, Scandinavia. Stefanos sechs letzte Tage.
Entweder hatte Giovanni das Ganze in den falschen Hals bekommen, oder es war eine kaltblütige Lüge, daß Elisabeth Engländerin sei. So ist es wohl gewesen: Nur ich war frei, und Elisabeth wartete in Neapel auf ihren bestellten Liebhaber.
Alles blieb vollkommen idiotisch. Ihr fuhr fort, Englisch zu radebrechen, und erzählte von meiner ergreifenden Jugend in Turin, von Papa, der ein Tabakgeschäft hatte, von Italo, meinem ordentlichen Bruder, von Norditalien, der guten Hälfte der Halbinsel. Wußtet ihr, daß mein Großvater von Sizilien emigrierte, als Papa zehn Jahre alt war? Daß meine Mama an Lungenentzündung starb, als ich vier war? Ich wußte es nicht, bevor ich es Elisabeth erzählte.
Sie sprach von ihrem Mann, der Ingenieur und Spezialist für Datamaschinen war, von ihren beiden Söhnen, vom Erbe der Tante, das wir zusammen verjubelten. Die Tante war eine gottesfürchtige Wachtel von Krankenschwester gewesen, deren Ersparnisse, nach Elisabeths Ansicht, endlich vernünftig verwendet wurden.
Ich wurde nicht klug aus ihr. Meine Situation war verrückt. Nichts stimmte mehr! Elisabeth stimmte nicht und ich folglich auch nicht. Morgens ging ich weg, um eine Zeitung zu besorgen. Es war das einzige Mal am ganzen Tag, daß ich allein sein konnte, und das nahm ich wahr. Ich lachte vor mich hin, wenn ich durch die Straßen von Palermo oder Agrigent ging. Zum Teufel, Stefan, sagte ich. Oder: Okay Stefano, okay. Was ich wohl damit meinte?
»Elisabeth«, sagte ich, als wir in einem Hotelzimmer von Agrigent lagen. Es war Abend, und das Gemurmel von der Straße war zu hören. »Warum verjubelst du das Geld deiner Tante nicht mit deinem Mann, statt mit mir?«
»Wir wollen uns vielleicht scheiden lassen«, sagte Elisabeth.
»Und wie bin ich ins Bild gekommen?« sagte ich.
»Das war das Allereinfachste«, sagte Elisabeth. »Außerdem wollte ich mit dem Geld der Tante etwas richtig Ungehöriges machen.«
Aber das stimmte wohl nicht ganz. Oder doch?
»Ich verstehe nicht, wie man mit solchen, wie ich es bin, in Kontakt kommt«, sagte ich.
»Das ist leicht«, sagte Elisabeth. »Man braucht nur die Zeitung zu lesen. Dann schrieb ich nach einem Foto.«
»Hast du mich nach einem Foto ausgesucht?« fragte ich.
»Sicher«, sagte sie. Sie lachte. »So konnte ich gewiß sein, daß du kein Menjoubärtchen trägst.«
Ich begriff gar nichts. Ich war ein Rädchen in einer großen Organisation, kein Held. Ich war ein lumpiges, kleines Rädchen, das der großen Maschine eingeordnet blieb!
»Komm jetzt«, sagte sie.
Mir gefielen ihre Füße, schmal und fest, mit ranken Fersen, die ich umfassen konnte, wenn ich auf ihr lag und die Arme an den Seiten ruhen ließ. Mir gefielen ihre ein wenig zu weichen Schenkel, ihr
Weitere Kostenlose Bücher