Das Doppelbett
aus München.
Giovanni, den ich oft traf, ging mit einem Mädchen, das Ann O’Hara hieß und bei Fellini in der Cinecittà Statistin gewesen war. Sie sah furchtbar üppig und sehr schön aus. Giovanni war nicht hübsch, sondern klein, fett und glatzköpfig, er sah melancholisch aus. Als Jackson aus Viareggio zurückkam, lud Giovanni uns zum Essen im The Scalini ein. Ann war auch dabei, und Jackson, ein großer und schöner Neger, wurde ganz wild. Er wollte, daß wir sie später am Abend besuchen sollten, aber es gelang mir, ihn davon abzubringen. Damit rettete ich uns wahrscheinlich davor, gefeuert zu werden. Denn Giovanni war eifersüchtig und wachte wie ein Habicht über Ann, die ohne Zweifel von seinen Beziehungen zur Cinecittà abhängiger war als von seinem Appeal.
Giovanni arrangierte das Geschäft mit Elisabeth. Vincent war in Mailand, um etwas zu erledigen. Er mußte immer etwas erledigen. Ich fragte ihn, was er in Mailand zu tun hätte.
»Ich habe bloß etwas zu erledigen«, sagte er.
Giovanni sah melancholischer als gewöhnlich aus, denn Ann hatte offenbar in der Cinecittà Fuß gefaßt und dadurch weniger Verwendung für seine Beziehungen. Sie winkte mir einmal auf der Piazza Barberini aus einem Ferrari in einer Autoschlange zu. Und wenn das Giovanni gewesen sein soll, der fuhr, dann mußte er sehr schnell abgenommen haben, einen halben Meter gewachsen sein und sich eine Perücke zugelegt haben.
Die Saison ging ihrem Ende zu. Wenn ich nicht arbeitete, lungerte ich herum. Ich ging zum Rummel und zum Pferderennen oder schlief im Schatten eines Baumes in Pincio. Oft aß ich mit Giovanni zusammen. Eines Abends gab er mir eine Fahrkarte nach Neapel. Ich sagte, daß mir Neapel nicht gefiele. Giovanni meinte, daß es ihm auch nicht gefiele. Er sagte:
»In Neapel liegt eine Fahrkarte nach Palermo. Das Schiff geht morgen abend um halb neun, und die Karte ist für eine Doppelhütte. Elisabeth wohnt in der anderen Koje. Du sollst sie auf Sizilien herumführen. Sechs Tage Arbeit für dich.«
»In Schweden haben wir heutzutage die Fünftagewoche«, antwortete ich. Ich wurde bei dem Gedanken an Schweden und die Fünftagewoche so gerührt, daß ich Tränen in den Augen hatte und mich schneuzen mußte, damit Giovanni nichts merkte.
»Vergiß Schweden«, sagte Giovanni. »Du bist kein Schwede. Elisabeth hat einen blonden Italiener bestellt. Sie ist Engländerin. Du mußt also Englisch mit italienischem Akzent sprechen.«
»Es ist zu warm«, sagte ich. »Sizilien hat jetzt seine heißeste Zeit.«
»Sizilien hat immer die heißeste Zeit«, sagte Giovanni. Dann schoß er vom Stuhl hoch, weil Ann an den Tisch kam. Da ich an diesem Abend nicht in Stimmung war, mit anzusehen, wie sie Giovanni schikanierte, erhob ich mich und ging. Giovanni merkte es nicht einmal. Es interessierte niemanden, ob ich saß oder ging oder lebte oder starb. So ist es, wenn man lebt als sein eigener Held, und ich erwog, mir wieder eine Träne abzuringen, ließ es aber und ging statt dessen ins Kino.
Ich begrüßte sie erst, als das Schiff den Kai schon verlassen hatte. Einer der Stewards zeigte sie mir. Sie saß an einem verlassenen Tisch, als ich im Eingang des Restaurants stand, und wendete mir halb den Rücken zu. Die Motoren dröhnten, und der Boden vibrierte leicht. Ich spürte jene leichte Erregung, die man bekommt, wenn ein großes Schiff gerade Fahrt aufgenommen hat.
Ich schlängelte mich zwischen den Tischen zu ihr durch. Sie las die Speisekarte und bemerkte mich erst, als ich sie ansprach.
»Hallo«, sagte ich und dachte an den italienischen Akzent. »I am Stefano.«
Sie fuhr zusammen und sah mich an, wie ich mit meinem widerlichen Lächeln dastand.
»Oh, hallo«, sagte Elisabeth. Wir gaben uns die Hand, und ich setzte mich.
»Es ist warm«, sagte sie und lächelte ein wenig.
»Nichts gegen Sizilien«, meinte ich.
»Ich weiß nicht, was ich essen soll«, sagte Elisabeth. »Ich kann das hier nicht lesen.«
Ich bestellte. Die Stimmung war ein bißchen gedrückt. Sie versank in sich selbst, und als sie es merkte, fuhr sie zusammen und lächelte mich entschuldigend an. Sie sah müde aus, war Ende dreißig, dunkel, mit kurzgeschnittenem Haar. Sie gebrauchte keinen Lippenstift. Ihre Augen saßen weit auseinander, und sie hatte eine Stupsnase. Das Gesicht war ziemlich rund, ihre Haut ohne Sonnenbräune, auch die Arme waren weiß und eine Spur zu füllig. Das Kleid wirkte einfach, aber alles andere als billig. Vielleicht
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