Das Doppelspiel
Zimmer vorbei, zögerte, nagte an der Unterlippe und machte einen Umweg zu seinem eigenen Wohnraum. Dort rief er Dr. Fedjunin im Lagerlazarett an.
Fedjunin war schon mitten in der Arbeit, assistiert von drei Sanitätern. Die Wuginskaja hatte ihm 43 Fälle in die Betten gelegt, die von Fedjunin mehr verlangten als Freude an der Obduktion. Als das Telefon schellte, säuberte er gerade eine große, vereiterte Wadenwunde.
»Darauf habe ich gewartet, Wassili Michailowitsch«, schnaubte Fedjunin sofort zurück, als Jankow sich meldete. »Vielleicht sind Sie stärker als ich und ertragen eine Stunde länger das Bombardement dieser vom Satan besessenen Frau. Aber dann fallen auch Sie um, Jankow, ich wette mit Ihnen um alles, was greifbar ist. Entweder geben Sie dieser Frau nach, oder Sie werden von ihr zerschmettert. Ich habe mich entschlossen, solange sie hier ist, mich ihrem Willen zu fügen. Ein Rätsel, wie Wassja Grigorjewitsch mit ihr auskommt. Im Bett muß sie noch dominierender sein … da könnte sie einem glatt das Herz aus dem Leib pumpen!«
»Ich lasse die 102 Ambulanten abmarschieren, Dr. Fedjunin«, sagte Jankow stur. »Leutnant Senjkew ist schon unterwegs.«
»Ich räume sofort ein Bett für Sie, Wassili Michailowitsch.« Dr. Fedjunin hüstelte. Er tat das immer, wenn er innerlich erregt war. Er hatte dann das Gefühl, seine Bronchien füllten sich mit Blei. »Das überstehen Sie nicht ohne Schaden …«
Major Jankow legte ohne Entgegnung auf, klemmte die Krankenliste wieder unter seine Achsel und ging zu Valjas Zimmer. Er klopfte höflich, bekam keine Antwort – was er auch nicht erwartet hatte – klinkte die Tür auf, blickte ins Zimmer, sah das Bett unberührt und nickte zustimmend. Vor Shukows Tür blieb er zuerst lauschend stehen, ein wenig das Gefühl auskostend, ein Voyeur zu sein, wenn auch nur mit den Ohren, aber von drinnen kam kein Laut, der darauf schließen ließ, daß die Morgenstunden die kraftvollsten eines Mannes sind.
Major Jankow hüstelte laut, so laut, daß es schon einer Provokation gleichkam, trommelte dann mit dem Fingerknöchel gegen die Tür und wartete.
Stille. Kein Rascheln von Decken, keine geflüsterten Worte, kein schnelles Tappen nackter Fußsohlen über den Dielenboden. Man hätte es hören müssen … die Tür war dünn genug, und auch beim Abstand der Tür vom Boden war ein so breiter Spalt, daß solcherart Geräusche zwangsläufig in den Flur dringen mußten.
»Genosse Shukow –«, sagte Jankow gegen die Tür. »Ich muß Ihren wohlverdienten Schlaf unterbrechen. Wenn Sie bitte herauskommen wollten … es ist wirklich dringend.« Und dann fügte er mit geradezu kindlichem Vergnügen hinzu: »Leider kann ich die Genossin Wuginskaja nirgendwo finden. Es betrifft nämlich sie. Ich brauche unbedingt Ihre Hilfe, Wassja Grigorjewitsch –«
Jetzt wird es gleich munter werden im Zimmer, dachte Jankow zufrieden. Beurteile ich die Wuginskaja richtig, wird sie mit einem Ruck die Tür aufreißen und sich nicht schämen, daß sie bei Shukow im Zimmer ist, den Liebesschweiß noch in den Haaren und mit der glänzenden Hohläugigkeit glücklicher Ermattung. Nein, die Wuginskaja schämte sich nicht. Beneidenswerter Wassja Grigorjewitsch!
Jankow verzog das Gesicht zu einem Lächeln, um wenigstens einen freundlichen Eindruck zu machen, wenn Valja Johannowna jetzt die Tür aufstieß. Aber nichts geschah. Jankow wartete noch ein paar Atemzüge lang und starrte dann unschlüssig gegen die Tür. Nun gut, dachte er. Man ist erschöpft und schläft wie einer, der Blei statt Blut in den Adern hat. Man kann's verstehen. Auch ein Mann wie Shukow, ein Baum von Kerl und mit Muskeln bepackt, streckt einmal alle viere von sich. Aber das ist kein Grund, keine Antwort zu geben, wenn ein Freund um Hilfe bittet.
Er klopfte noch einmal an die Tür, bekam wieder keine Antwort und wagte es darauf, die Klinke herunterzudrücken. Zu seinem eigenen Erstaunen gab sie nach, schwang ins Zimmer zurück und gab den Blick auf ein zwar zerwühltes, aber leeres Bett frei.
Mit einem seltsamen Gefühl, das plötzlich in ihm hochstieg, betrat Jankow das Zimmer und sah sich um. Shukows Koffer war weg … das bemerkte er als erstes. An den Haken in der Wand hing kein Mantel mehr. Auch die Kunststoffplanen fehlten. Mit drei Schritten war Jankow an dem alten, wackeligen Schrank, riß die Türen auf und blickte auch hier ins Leere. Er konnte sich genau erinnern, daß Shukow ein paar Hemden und seine Unterwäsche in
Weitere Kostenlose Bücher