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Das Doppelspiel

Das Doppelspiel

Titel: Das Doppelspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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das Ufer links von sich sah Shukow nur noch schemenhaft, rechts dehnte sich die Wasserfläche bis zu den Wäldern, die wie Riesentang zu schwimmen schienen.
    Wie lange Shukow so in seinem Boot verharrte, wußte er nicht. Erst als er spürte, daß er bis zu den Knöcheln im Wasser saß, richtete er sich auf. Er warf den Koffer über Bord, kniete sich dann hin und zog die Wuginskaja an die Bordwand.
    Nicht denken, sagte er sich. Bob, hör auf, dich an mehr zu erinnern, als du darfst! Du hast sie mit einem einzigen Handkantenschlag getötet, und als sie mit merkwürdig schiefem Kopf vor dir lag, ist es dir heiß durch dein Herz gezogen. Und dann hast du dir eingeredet: Es war Notwehr. Es war einfach nötig. Sie hätte dir nie – wie damals Dunja in Frazertown – verziehen, daß du ein amerikanischer Agent bist. Sie hätte dich erbarmungslos töten lassen, also war es dein gutes Recht, sie zu töten. In unserem Scheißberuf geht es um mehr als um einen Menschen … es geht um ganze Völker. Es geht um das Gleichgewicht der Macht, um den Frieden aus Angst, um das Überleben durch das Wissen von der Schwäche der anderen.
    Bleib bei dieser Lüge, Bob. Hämmere sie dir ein … und nimm jetzt endlich Abschied von Valja Johannowna.
    Shukow biß die Zähne zusammen. Mit beiden Händen packte er die Wuginskaja um die Mitte ihres Körpers, hob sie über den Rand des Bootes und stieß sie dann in den Fluß. Als wolle sie ihm nochmals ihre ganze Schönheit zeigen, klaffte die Kunststoffplane auseinander, bildete ein Floß unter ihr, und auf diesem gelborangenen Untergrund lag sie, lang dahingestreckt, die Arme etwas ausgebreitet, mit offenem Mund, der ihn zu rufen schien … und trieb an der Bootsseite entlang, immer auf gleicher Höhe, als könne sie sich nicht von Shukow trennen.
    Mit einem dumpfen Laut riß Shukow eins der beiden Ruder vom Bootsboden, kippte es über die Bordwand und stieß zu, dreimal, viermal, bis die Kunststoffplane im Wasser versank und das Luftpolster, auf dem sie geschwebt hatte, entwich. Der Körper der Wuginskaja drehte sich noch einmal, dann sackte auch er weg in den gurgelnden Fluß. Aber sie nahm noch Abschied von Shukow. Das Wasser riß ihre Arme empor, und das letzte, was Shukow von ihr sah, waren ihre Handflächen. Es war, als winkte sie ihm zu, bis auch sie, zwei weiße, zehnfach geteilte Flächen, in den Strudeln verschwanden.
    Shukow warf das Ruder zurück ins Boot, zog seine Schuhe aus und begann, mit ihnen das Wasser aus dem Boot zu schöpfen. Es wurde ein langer, zermürbender Kampf gegen den Regen und den Fluß.
    Zunächst wurde die Abwesenheit von Valja Johannowna und Wassja Grigorjewitsch in der Kommandantur nicht bemerkt. Major Jankow wartete mit dem Frühstück eine halbe Stunde, lächelte dann wissend vor sich hin, sagte sich, man solle Verliebte in diesem Frühstadium, das keine Uhr kennt, nicht aus allen Illusionen reißen und trank allein seinen Tee, aß allein sein Brot mit Wurst und spazierte dann hinüber zur Lagerverwaltung, um sich wie jeden Tag den Morgenrapport anzuhören.
    43 Krankmeldungen stationär. 102 Krankmeldungen ambulant. Das hieß: Die Männer lagen in den Baracken herum und wärmten sich an den bullernden Eisenöfen.
    »Das ist doch unmöglich!« rief Jankow, als er die Liste studiert hatte. »Das gibt es doch nicht!«
    »Die Genossin Wuginskaja hat zugeschlagen.« Der junge Leutnant, der an diesem Tag Lagerdienst hatte, warf einen Seitenblick auf das Telefon. »Ich habe sofort Dr. Fedjunin angerufen, als mir die Meldungen vorlagen. Er sagte wörtlich: ›Genosse Leutnant, lassen Sie mich in Ruhe! Ich bin für nichts mehr verantwortlich, solange Valja Johannowna im Lager ist. Sie hat zwar keinerlei Befugnis, in den medizinischen Bereich des Lagers einzugreifen, sie ist ja nur Gast bei uns … aber machen Sie das dieser Frau mal klar. Sie haben ihrem Willen nichts entgegenzusetzen, es sei denn, Sie bringen sie einfach um.‹«
    »Es ist gut, Leonid Lukanowitsch.« Major Jankow winkte ab, der junge Leutnant atmete befreit auf. »Ich werde das selbst klären. Die 102 Ambulanten jagen Sie aus den Betten und lassen sie zum Steinbruch II bringen.«
    »Es wird Streit geben«, sagte der Leutnant ahnungsvoll. »Die Kranken werden unter lautem Protest abmarschieren, und das hört die Genossin Wuginskaja sicherlich.«
    »Bis dahin ist sie unterrichtet.« Major Jankow klemmte die Liste mit den Krankmeldungen unter den Arm und verließ die Verwaltung. Er ging an Valjas

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