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Das Doppelspiel

Das Doppelspiel

Titel: Das Doppelspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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den Schrank gelegt hatte.
    Mit weitausgreifenden Schritten rannte Jankow zurück in sein Zimmer und rief nacheinander alle Posten an, die man passieren mußte, wenn man das Lager verließ. Die Antwort war überall die gleiche: Die Arbeitskolonnen waren pünktlich hinausmarschiert, aber den Genossen Shukow und die Genossin Wuginskaja hatte niemand gesehen.
    »Das wäre doch jedem aufgefallen«, sagte der wachhabende Offizier.
    »Man sollte es meinen!« brüllte Jankow. Er legte auf, wählte die Nummer des Lazarettes und scheuchte Dr. Fedjunin von einem riesigen Furunkel weg, den er gerade spalten wollte. »Ist Valja Johannowna bei Ihnen?« schrie Jankow sofort.
    Dr. Fedjunin schien nicht verblüfft zu sein. Es fiel Jankow auf, daß er so ruhig nach dieser Frage antworten konnte.
    »Ich wollte, sie wäre hier«, sagte Dr. Fedjunin mit seiner ekelerregenden Stimme. »Sie stellt Diagnosen, legt mir die Kranken ins Bett, verschwindet und überläßt mir eine Therapie, die ich mir aus Büchern zusammensuchen muß. Wassili Michailowitsch, ich habe nie behauptet, ein guter Internist zu sein.«
    Jankows Kopf war vorgezuckt. Fast ungläubig starrte er auf die Sprechmuschel seines Telefonhörers. »Sagten Sie eben, sie ist verschwunden?« fragte er langsam und betont.
    »Allerdings.«
    »Woher wissen Sie, daß sie verschwunden ist?«
    »Sie ist nicht hier im Lazarett, also ist sie für mich abhanden gekommen. Ich habe versucht, sie anzurufen, aber sie meldet sich nicht aus ihrem Zimmer. Auch Shukow bleibt in Deckung. Oder haben die beiden sich in der vergangenen Nacht aufgefressen?«
    Jankow schnaufte durch die Nase und trommelte mit der freien Hand auf die Tischplatte. »Kommen Sie doch sofort herüber, Dr. Fedjunin!« sagte er heiser. »Sofort!«
    »Unmöglich. Ich habe einen Furunkel auf dem Tisch.«
    »Sie kommen sofort!« sagte Jankow hart. »Das ist ein Befehl, Genosse Fedjunin!«
    Er hörte, daß Fedjunin etwas entgegnete, aber hörte es sich nicht an. Er warf den Hörer zurück und rief gleich darauf bei den Kasernenbaracken an, wo der tägliche Dienst trotz des Regens abrollte. Waffen reinigen, Inspektionen, Exerzieren in der großen Wagenhalle, Gerätepflege, politische Schulung. Ob in Sibirien oder Kansas City, es ist überall das gleiche, nur die Sprache ändert sich.
    »Zwei Offiziere zu mir!« sagte Major Jankow heiser. »Im Kampfanzug mit Waffen. Sofort!« Er warf den Hörer weg, als sei er plötzlich von Strom durchzuckt, setzte sich hinter seinen Tisch und starrte auf die Tür.
    Es ist unmöglich, dachte er. Und trotzdem kann es gar nicht anders sein. Ein Mensch, der sich fast sexuell daran berauscht, Leichen zu zerstückeln, der wie eine Katze vor dem Mauseloch darauf wartet, daß jemand im Lager stirbt, könnte ohne weiteres fähig sein, um seines Stolzes willen ohne Skrupel dem Schicksal nachzuhelfen.
    Major Jankow schrak hoch, als die Tür aufgerissen wurde. Der lange, dürre Dr. Fedjunin stürmte herein, drückte mit dem Zeigefinger seine wegrutschende Brille gegen die Nasenwurzel und blieb vor Erregung bebend an Jankows Schreibtisch stehen.
    »Was ist los?« schrie er. »Welcher Ton herrscht hier plötzlich? Das ist ein Befehl! Hat man so etwas schon gehört? Wassili Michailowitsch, ich weiß, daß auch Sie der Wuginskaja nachstarren wie der Rüde einer heißen Hündin. Aber gerade darum sollten Sie verstehen, daß es mir unmöglich ist, mich gegen Dinge zu stemmen, die sie anordnet.«
    »Wo ist sie?« fragte Jankow knapp.
    »Wer?«
    »Die Wuginskaja.«
    »In Shukows Bett.«
    »Nein.«
    »Nicht? Wenn Sie es nicht wissen –«
    »Sie wissen es, Dr. Fedjunin!« Jankow blickte an Fedjunin vorbei. Im Flur warteten zwei Leutnants in voller Kampfuniform. Sie verstanden Jankows Blick, blieben draußen und starrten dem Lagerarzt in den Nacken. Fedjunin war viel zu erregt, um zu begreifen, was um ihn herum geschah. Zudem war er so reinen Gemütes, daß ihm nie der Gedanke gekommen wäre, ein Verdacht, der tödlich werden konnte, habe ihn eingekreist.
    »Wann hat die Genossin Wuginskaja Sie gestern abend verlassen?« fragte Jankow verschlossen. Er schnitt damit Fedjunins Antwort auf die vorausgegangene Frage ab. Fedjunin starrte Major Jankow durch seine Brille entgeistert an.
    »Ich habe nicht auf die Uhr geblickt. Auf jeden Fall war es spät. Shukow rief noch im Lazarett an und fragte, wie lange es noch dauern würde. ›Er vermißt mich!‹ rief sie, als ich ihr von dem Anruf erzählte, warf die Instrumente, die

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