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Das Doppelspiel

Das Doppelspiel

Titel: Das Doppelspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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vornehme Halle: »Ein Zimmer für den Genossen! Es ist bestellt. Bitte, kommen Sie näher, Genosse Shukow!«
    Es ist merkwürdig, welche Wirkung bekannte Namen haben. Obwohl Shukow immer betonte, nicht mit dem Marschall der Sowjetunion verwandt zu sein, genügte allein der Name, daß man sich höflich mit ihm befaßte. Das ist nicht absurd, meine Lieben. Man bedenke nur, was geschehen würde, wenn in einem westdeutschen Hotel ein Mann in die Rezeption tritt und sich vorstellt: »Ich bin Napoleon Bonaparte!« Es gibt da zwei Möglichkeiten: der Abtransport in eine geschlossene Anstalt, oder eine sich überschlagende Höflichkeit gegenüber dem Gast.
    Die Russen entschließen sich stets zur Höflichkeit. Die geschlossene Anstalt bleibt ja immer noch als zweiter Weg …
    Man gab also Shukow das vorbestellte gute Zimmer, ein Boy nahm mit schiefem Mund den dreckigen Reisesack in Empfang und brachte ihn nach oben, neunter Stock, Zimmer 956. Der Chefportier studierte mit stiller Ehrfurcht noch einmal das Schreiben mit den vielen Stempeln und Unterschriften und trug Shukows Namen und seine Paßnummer in das Gästebuch ein. Wie man sich irren kann! Da kommt ein Landstreicher in den Marmorpalast des ›Sibir‹, und wer ist's? Eine hochgestellte Persönlichkeit. Ein qualifizierter Ingenieur. Ein Spezialist. Ein Mann, der große Freunde im Rücken hat.
    Shukow wandte sich ab und ging die Ladenstraße des Hotels hinunter zur Parfümerie-Boutique. Schon von weitem sah er durch die Glaswände die herbschöne, hochgewachsene Galina Theofilowna. Sie sortierte gerade neue Parfüms in das Regal und war allein in dem Shop.
    Shukow trat leise ein, räusperte sich und sagte:
    »Wenn Sie sich recken, haben Sie einen herrlichen Hintern, OI!«
    Mit einem unterdrückten Aufschrei fuhr Galina Theofilowna herum und starrte Shukow fassungslos an. Ihre vollen Lippen zitterten heftig.
    »Sie …« stammelte sie. »Sie leben? Sie sind tatsächlich zurückgekommen?«
    Shukow nickte. »Haben Sie schon mal einen so munteren Geist gesehen, mein Täubchen? Gehen wir auf mein Zimmer. Sie werden staunen, was ein Gespenst mit Ihnen alles anstellen kann.«
    »Himmel, wie sehen Sie aus, Wassja!«
    »Wie einer, den die Taiga gnädig ausgespuckt hat. Wissen Sie, was bei Ottokh los ist?«
    »Fernsehen und Radio haben Berichte gebracht.« Galina atmete ein paarmal tief durch. Sie hatte hübsche, volle Brüste: Shukow hatte sie gar nicht mehr in Erinnerung gehabt.
    »Und ich schwamm mitten in der Jauche.«
    »So sehen Sie auch aus. Wir kaufen gleich einen Anzug.« Sie lehnte sich an das Regal mit den Parfümpackungen und starrte Shukow noch immer wie einen Geist an. Ihr Gesicht war gut geschminkt, der Mund rot umrändert, auf den Lidern lagen blaßblaue Schatten. Wer Kosmetika verkauft, muß eine lebende Demonstration sein. »Es ist ein Wunder, daß Sie da sind, Wassja, wissen Sie das? Ein wirkliches Wunder. Ich … ich habe …«
    »Sie hatten mich abgeschrieben. Wie die anderen Kollegen, die vor mir hier waren.«
    »Ja. Sie hatten keine Chance, jemals zurückzukommen. In welchem Zimmer wohnen Sie?«
    »Nummer 956. Ich werde gleich hinauffahren, das Bettchen aufdecken und Sie erwarten, Galinuschka. Kommen Sie in zwanzig Minuten, ich möchte erst baden. Ich bin ein süßes Kerlchen, wenn ich frisch nach Badesalz dufte.«
    »An etwas anderes denken Sie wohl nie?«
    »Ich hatte ganz vergessen, wie nett Sie aussehen. Galina, ich komme ausgehungert aus den Wäldern –«
    »… und sehen aus, als ob Sie jeden Moment aus den Schuhen kippen würden. Gut, ich bin in zwanzig Minuten bei Ihnen.«
    »Ich werde nur ein Handtuch um die Lenden tragen. Erschrecken Sie also nicht über so viel geballte Schönheit.« Shukow sah sich um. Sie waren noch allein im Shop, und es war auch keiner in der Nähe, der eintreten konnte. »Wie geht es Onkelchen?« fragte er.
    »Später.« Galina Theofilowna tat vorsichtshalber so, als zeige sie Shukow ein Rasierwasser. Jetzt über General Orwell zu reden, war mehr als leichtsinnig. Was in den letzten Tagen aus Fort Patmos gemeldet worden war, glich sowieso einer Katastrophe. »Haben Sie noch Geld?« fragte sie leise.
    »Genug.«
    »Dann kaufen Sie sich erst mal einen Anzug. In der Ladenstraße das dritte Geschäft auf der linken Seite.«
    »Ich hab's gesehen. Preise haben die!« Shukow grinste. »Welche Farbe sähen Sie an mir am liebsten? Grau oder blau, uni oder gemustert? Am besten wirke ich in engen Jeans. Da habe ich immer einen

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