Das Doppelspiel
das?«
»Haben wir Wodka an Bord?«
»Genug«, sagte die Stewardeß.
»Dann her damit!« Shukow schnallte sich an. Der Tower gab den Start frei. Ob die Kubaner angeschnallt waren, kontrollierte niemand mehr. Es wäre von den Stewardessen auch zuviel verlangt gewesen, den wildgewordenen Männern in den Schoß zu blicken. »Wenn wir auf Reisehöhe sind, verteile ich zusätzlich das Gesöff. In spätestens einer Stunde hören wir keinen Ton mehr.«
»Und sie kotzen meine schöne Maschine voll!« rief der Kapitän entsetzt.
»Das kann man wegputzen.« Shukow hob beide Hände. »Was wollen Sie lieber: Ihre Stewardessen opfern, oder ein vollgekotztes Flugzeug?«
»Wir starten!« schrie der Kapitän. »Ich möchte wirklich wissen, was man in anderen Ländern mit solchen Gästen macht.«
Das könnte ich dir sagen, Fjodor Anatolowitsch, dachte Shukow. Aber was hilft es dir? Du mußt sie nach Irkutsk bringen, und wie sie dort auch ankommen, es wird eine Abordnung dastehen, jeden Delegierten umarmen, auf die Wange küssen, »Freundschaft! Freundschaft!« rufen und mit mildtätigem Lächeln sagen: »Wie freuen wir uns, daß es euch so gut bei uns gefällt.«
Es wurde ein erstaunlich zahmer Flug. Die Kubaner klebten in den Sitzen, vom Wodka bereits paralysiert, und als Shukow mit dem Getränkewagen durch den Mittelgang kam und weitere Flaschen verteilte, bekam er sie alle gar nicht mehr los. Einer der mitreisenden Offiziere hielt Shukow am Ärmel fest.
»Man muß sich schämen«, sagte er bitter.
»Davon wird es auch nicht besser«, entgegnete Shukow.
»Und Sie verteilen sogar noch mehr Wodka!«
»Um sie restlos zu betäuben, Genosse Oberst.« Shukow stützte sich auf den Getränkewagen. »Man nennt das die Politik der zufriedenen Herzen.«
»Wie bitte?« fragte der sowjetische Offizier.
»Die Kubaner werden nach Hause kommen und sagen: ›Amigos, haben wir in Rußland gesoffen und gehurt! Eine wahre Pracht. Das ist ein gutes Land! Das sind Freunde. Es lebe die Sowjetunion.‹« Shukow sah den Offizier, der ihm entgeistert zuhörte, freundlich an. »Ist das ein politischer Erfolg oder nicht? Die Mittel, mit denen man Freunde gewinnt, müssen flexibel sein …«
Die Landung in Irkutsk, über dem man einmal kreiste, mit einem herrlichen Blick über den Baikalsee und die flammend bunte Taiga, vollzog sich normal, wenn man davon absieht, daß beim Aufsetzen auf der Piste sieben Kubaner in den Gang kippten, weil sie natürlich nicht angeschnallt waren. Sie erhielten ein paar Schrammen, aber in ihrem Zustand merkten sie gar nichts davon.
Shukow verabschiedete sich von der Crew wie von Brüdern, umarmte die Stewardessen und ließ bei ihnen die herbe Enttäuschung zurück, sich nicht mit ihnen verabredet zu haben. Ein paar Bemerkungen in dieser Richtung hatte er überhört. In Irkutsk begann ein neuer Abschnitt in Shukows Leben, und er nahm seinen Ausgang nicht gerade in einem Mädchenbett, so reizvoll das auch sein mochte.
Mit einer Taxe fuhr Shukow vom Flughafen sofort zum Hotel ›Sibir‹ und betrat die prunkvolle Hotelhalle mit einer geradezu provozierenden Gelassenheit. Sein Auftreten verursachte sofort Aufsehen: Wie kam ein Mensch in einem so dreckigen Anzug, mit einem noch dreckigeren Leinenbeutel unterm Arm, in diese Marmorhalle, wo gutgekleidete Genossen unbewußt demonstrierten, daß es nie und nimmer eine klassenlose Gesellschaft geben wird! Ein Portier kam auch sofort auf Shukow zu, baute sich wie ein Erzengel vor ihm auf und sagte mit unterdrücktem Zorn:
»Sie haben sich sicherlich verlaufen, nicht wahr? Ich bringe Sie wieder hinaus.«
Shukow lächelte und ließ seinen Leinenbeutel auf den Marmorboden fallen. Es klatschte wie eine Ohrfeige. Zwei Damen in der Nähe zuckten zusammen und vergrößerten schnell ihren Abstand zu dem schmutzigen Mann. Um die Theke der Rezeption herum kamen zwei Hotelangestellte. Verstärkung für den Portier.
»Wenn du mich anfaßt, Brüderchen«, sagte Shukow höflich, »reiße ich dir erst das linke Ohr ab, dann das rechte, dann die Nase, zum Schluß deinen Schwanz! Verstehen wir uns? Und nun hör zu, du rostiger Eisentopf: Mein Name ist Wassja Grigorjewitsch Shukow. Vom Hotel ›Lena‹ in Jakutsk ist für mich ein sehr gutes Zimmer in deinem Mistladen bestellt worden. Ich komme so, wie ich bin, aus dem Überschwemmungsgebiet, und wenn du jetzt nicht aus dem Weg gehst, trete ich dir in den Sack! Hallo!«
Der Portier sprang zur Seite, wirbelte herum und schrie durch die
Weitere Kostenlose Bücher