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Das Doppelspiel

Das Doppelspiel

Titel: Das Doppelspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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brauchte, wie es darunter aussah. Es tauchte höchstens die Frage auf, wie das Girl in solch enge Hosen hineinkam und ob es schwierig sein würde, sie wieder auszuziehen.
    Hinzu kam, daß sie einige neue Rezepte für Milchmixgetränke mitgebracht hatte und auch seit einigen Tagen Bio-Jet verarbeitete. Wenn jemand an ihre Theke kam und sagte: »Wie soll man das aushalten, Mädchen? Braust da ein Stärkungsmittel in die Milch, jonglierst mit deinen Rundungen, und wir sollen da noch brave Knäblein bleiben. Das ist wider die Natur«, antwortete sie ziemlich schnippisch: »Fragen Sie das Ihre Frau, Mister. Die wird Sie von dem Überdruck befreien.«
    Beim Pächter der Kantine liefen hintenherum eine Menge Anfragen ein. Stan Wolter verfluchte schon nach vier Tagen, daß er das Mädchen eingestellt hatte, nachdem es alle Sicherheitsuntersuchungen durchlaufen und das Personalbüro okay gesagt hatte. Er schrieb ein Plakat, nagelte es an die Außentür der Kantine und wehrte damit alle anderen Fragen ab. Auf dem Plakat stand:
    ›Sie heißt Norma Taylor, ist nicht verwandt mit Liz Taylor, wurde in Texas geboren und sieht alle Männer als Idioten an. Ihre Maße: 93 – 74 – 90. Größe 1,70. Wo sie wohnt, fragt sie selbst. Aber ihr könnt euch die Mühe sparen.‹
    Dieses Plakat wurde auf dem Gelände von Los Alamos fast ebenso berühmt wie die hier vollzogene erste unterirdische Atomkernspaltung der Welt.
    Es gab trotzdem noch immer Männer, vor allem Offiziere, die sich nicht damit abfinden konnten, daß ein solcher Schatz hinter der Milchtheke stand und später in einem sicherlich gemütlichen Apartment den Abend allein vor dem Fernseher verbrachte. Aber Norma Taylor machte ihrem Ruf, eine ›Eiserne‹ zu sein, alle Ehre. Selbst Oberleutnant Hendrik Gulbrannson, ein Kerl wie ein Baum und – wie sein Name bewies – schwedischer Herkunft, von dem man sagte, seine strahlend blauen Augen wirkten auf Frauen wie Höhensonne, denn sie ließen sofort alle Kleider fallen, selbst er rannte viermal vergeblich die Taylor-Festung an. Er schickte sogar rote Rosen, um es auf die ganz romantische Tour zu versuchen … zur Schadenfreude aller Beobachter landeten die Rosen auf dem Müll, ohne je eine Vase gesehen zu haben.
    Auch eine mit militärischer Gründlichkeit aufgebaute Bespitzelung ergab nichts, was Normas Abstinenz erklären konnte. Zwar bekam man heraus, wo sie wohnte – bei einem Drogisten in einer kleinen Dachgeschoßwohnung – aber einen Mann sah man nie an ihrer Seite. Der Drogist, vom Experten des Abschirmdienstes in Los Alamos regelrecht verhört, konnte nur immer wieder beteuern, daß Norma Taylor trotz ihres Aussehens ein Musterbeispiel von Zurückhaltung und Moralität sei. Sie ging selten aus, empfing keinen Männerbesuch, liebte klassische Musik, aber auch Jazz und echten alten New-Orleans-Blues (der Drogist hörte es manchmal durch die Decke, wenn sie den Plattenspieler zu laut laufen ließ), sie besuchte einmal in der Woche ein Kino, ging nicht tanzen, legte sich auch keine Freundinnen zu – ein Aufatmen ging durch die Verhörenden, lesbisch war sie also nicht, das wäre ein großer Schlag gewesen! – Überhaupt, sie lebte so unauffällig, daß es fast schon anormal war. Nur einmal hatte sie einen kleinen Einblick in ihr Inneres gegeben – so nannte es wenigstens der Drogist –, als sie ihn in einem Gespräch fragte, ob es in Los Alamos so etwas wie einen ›Verein für die Rechte der Frau‹ gäbe.
    »Das darf nicht wahr sein!« sagte einer der Offiziere geradezu entsetzt. »Norma Taylor zu den verrückten Weibern? Und keiner von uns Kerlen kann das verhindern? Wir sollten uns schämen! So ein Goldstück lassen wir doch nicht wegrollen!«
    »Ich werde es über die klassische Musik versuchen, zum letzten Mal«, sagte Hendrik Gulbrannson. Er arbeitete als Wachoffizier im Labor V der Kernspaltung, einer der wenigen Militärs unter lauter zivilen Forschern. Wenn abends die Labors geschlossen wurden und die täglichen Laborberichte in den Panzerschränken eingeschlossen waren, begann Gulbrannsons Aufgabe. Er kontrollierte alle Sicherheitsanlagen, die elektronischen Überwachungen, die Fernsehkameras, die jeden Winkel abtasteten, und die Alarmgeber, die mit unsichtbaren Strahlen arbeiteten. Nach menschlichem Ermessen war es unmöglich, an die Papiere der Forschungsgruppe heranzukommen, wenn die Arbeit ruhte. Nur in der Forschung tätigen Spionen – wie damals dem Ehepaar Rosenberg – wäre es möglich gewesen,

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