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Das Doppelspiel

Das Doppelspiel

Titel: Das Doppelspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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mit Radar jeden Winkel des Bug bis zum Grund. Außerdem sind Signaldrähte in verschiedenen Höhen durch das Wasser gespannt, die mit raffinierten Apparaten gekoppelt sein müssen, denn wenn Fische dagegen stoßen, gibt es keinen Alarm, auch nicht bei anderen Gegenständen, und es schwimmt so vieles einen Fluß hinunter. Aber wenn ein Mensch in die Drähte kommt, klingelt's überall.« Dewjatow schluckte sein Bonbon hinunter und goß einen Schluck Limonade hinterher. »Haben Sie vielleicht schon einen Plan, Wassja Grigorjewitsch?«
    »Nein.« Shukow erhob sich und zog seine Schuhe wieder an. »Ich weiß nur eins: Wenn ich hineinkomme, dann nur durch die drei Tore!«
    »Mit einem freundlichen Lächeln und ›Allzeit guten Morgen, Genossen!‹ rufend.«
    »Vielleicht. Unlösbare Probleme kippen oft durch simpelste Gedanken um.«
    »Hier in Rußland gilt keine alte Weisheit mehr. Hier ist alles anders, Wassja Grigorjewitsch.«
    »Wir haben Zeit.« Shukow schob das Tor einen Spalt auf und blickte hinaus. Über dem blühenden Land lag der Goldschimmer des Abends. »Können wir zu diesem Hügel ›Das Kosakenkäppchen‹?«
    »Wenn es dunkel ist, rudern wir über den Bug. Aber seien Sie nicht enttäuscht. Sie sehen kaum etwas.«
    In der Nacht lagen sie oben auf der Kuppe des Hügels im hohen Gras und blickten mit starken Nachtgläsern hinüber zu dem dreifach gesperrten Gebiet, das die Russen Nowotschok nannten. Wie Dewjatow gesagt hatte: Shukow hatte im Blickfeld nur die vier oberen Reihen der Flutlichtmasten, alles andere verdeckte eine Hügelkette. Die Scheinwerfer waren eingeschaltet, ein Football-Match war also im Gange. Der Himmel über diesem Stück Land war fahl erleuchtet, so wie es bei allen Städten ist, wenn tausende Lampen eine Lichtglocke bilden.
    »Mit voller Festbeleuchtung«, sagte Shukow und setzte sein Glas ab. »Ich wette, da zucken die buntesten Lichtreklamen.«
    »Ein Stück Amerika eben.« Dewjatow blickte noch immer auf die Lichtglocke. »Sie müssen das ja kennen. Für mich Russen ist so etwas fantastisch. Das sieht man nur ab und zu in amerikanischen Filmen, als Beweis für die Dekadenz und die Beeinflussung der Massen durch den Kapitalismus.«
    »Reden Sie denn immer so einen Scheiß, Awdej Konstantinowitsch?«
    »So sollten Sie auch reden, Wassja. Sie sind jetzt ein Russe! Noch sind Sie es. Erst dort drüben dürfen Sie wieder Amerikaner sein. Eigentlich verrückt, was? Sie kommen als falscher Russe nach Rußland, um in Rußland ein echter Amerikaner zu sein. Eine total verdrehte Welt! Gehen wir.«
    »Wohin?«
    »In Ihre Scheune. Ich fahre dann zurück nach Winniza und setze noch einen Funkspruch ab, daß Sie gut angekommen sind.« Dewjatow lachte laut und wälzte sich auf den Rücken. Der Sternenhimmel war etwas für Dichter – er mußte eine empfindsame Seele mit seiner Schönheit einfach erschlagen. »Sie sollten sehen, Wassja, wie das vor sich geht. Unter mindestens zehn Zeugen! Wenn ich funke, lade ich die Nachbarn ein, bei mir über die Stereoanlage ein Konzert zu hören. Und da sitzen sie dann, lauschen andächtig wie die Klosterschüler, verdrehen die Augen, wenn Swjatoslaw Richter spielt, und ich sitze an dem Stereogerät, drehe mal an diesem Knopf, mal an jenem und funke meine Meldungen hinaus. Was wissen die Genossen, wie eine komplizierte Stereoanlage funktioniert? Sie denken, ich regle die Musik, damit es wirklich ein vollkommener Genuß wird. So einfach ist das –«
    »Und die Funkpeilung?«
    »Was die Genossen in der Funküberwachung hören, ist nur ein Knacken. Die Meldungen werden bis zur Unkenntlichkeit zerhackt, und nur der vorgesehene Empfänger kann sie elektronisch wieder zusammenfügen.« Dewjatow erhob sich und klopfte das trockene Gras aus seinem Anzug. »Mich zu entdecken, müßte schon ein Wunder sein.«
    Das Wunder – Awdej Konstantinowitsch ahnte es nicht – saß in Winniza in der Funkzentrale des III. Nachrichtenbataillons der Roten Armee und hieß Kapitän Stanislaw Jakowlowitsch Slobin. Er hatte das verrückte, nur ab und zu auftauchende Knacken im Äther eingekreist, nachdem er sich sicher war, daß es sich nicht um atmosphärische Störungen, etwa durch Protuberanzen, handeln konnte. Die Störquelle lag irgendwo in der Altstadt, so weit war er schon. Aber er konnte sich noch nicht denken, worum es sich handelte.
    Fünf Tage später erschien Dewjatow wieder in der Scheune und rieb sich die Hände. Shukow lag mißmutig auf seinen Strohballen, neben sich einen

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