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Das Doppelspiel

Das Doppelspiel

Titel: Das Doppelspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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trinken.
    So erreichte Wassja Grigorjewitsch unbefragt die Stadt Winniza und stieg aus. Zum erstenmal sah er den Bug, diesen herrlichen Fluß, der durch eine Gartenlandschaft floß, die ihn an Florida erinnerte. Nur die Palmen fehlten. Aber sonst waren das ganze Land und die Stadt selbst überhaucht von südländischer Fröhlichkeit, erblüht unter einem seidigen blauen Himmel. Shukow blieb stehen, blickte hinüber zu den neuen Vierteln der Stadt, die in ihrer Einheitsarchitektur auch mit anderen Städten vergleichbar war, und rief aus seinem Gehirn den Stadtplan ab, den er wochenlang studiert hatte, bis er jede Straße, jede Hausecke, jeden Feldweg außerhalb der Häusermassierungen kannte.
    Die Ulinskaja 11 ist im alten Stadtteil, dachte er. Dort gibt es eine Landmaschinenfabrik, eine Blechwarenfabrik und eine Konservenfabrik. Die Ulinskaja besteht aus alten zweistöckigen Häusern, eine typische Arbeitersiedlung. Daß der Traktorist Awdej Konstantinowitsch Dewjatow ein Telefon hatte, war eine Seltenheit, aber man hatte sich daran gewöhnt. Schließlich war Dewjatow ein qualifizierter Facharbeiter und Parteimitglied, war zweimal als ›Vorbildlicher Arbeiter‹ ausgezeichnet worden und hatte auch sonst einige Privilegien, die man ihm neidlos gönnte. So besaß er zum Beispiel einen Fernsehapparat und eine Stereoanlage, und er war ein so guter Kamerad und Kommunist, daß er bei besonderen Sendungen wie Sport oder Theaterübertragungen seine Nachbarn zum Zuschauen einlud und sogar Tee oder leichten Rosewein servierte. Ein guter Mensch, der Awdej Konstantinowitsch.
    Shukow betrat die nächste Telefonzelle und hob den Hörer ab. Wie üblich in Rußland gab es auch hier keine Telefonbücher in den Zellen, aber Shukow kannte Dewjatows Nummer auswendig. Er drehte die Zahlen, und als sich Dewjatow meldete, sagte er:
    »Ich soll Sie von Ihrem Großmütterchen grüßen, Awdej Konstantinowitsch. Sie wäre so gern zu Besuch gekommen, aber sie verträgt die Eisenbahn nicht.«
    »Das Alter, lieber Genosse, das Alter. Was kann man machen?« antwortete Dewjatow und legte auf.
    Man hatte sich verstanden. Nach etwa zehn Minuten hielt eine Moskwitsch-Limousine vor dem Bahnhof, Major Shukow stieg ein, ein eilfertiger Fahrer verlud den Koffer im Kofferraum und sauste dann nicht in die Stadt zurück, sondern nach Süden, wo die großen Obstplantagen lagen.
    Sie fuhren zehn Minuten über die breite Straße, bogen dann seitlich in eine sanfte Hügellandschaft ab und hielten in einer Scheune, deren Tor weit offen stand. Dewjatow sprang aus dem Auto, schob das Tor zu und verriegelte es.
    »Ich heiße Sie willkommen, Wassja Grigorjewitsch!« sagte er, als er an den Wagen herantrat und die Tür an Shukows Seite aufriß. »Sie sind schneller in Winniza, als wir erwartet haben.«
    Shukow stieg aus, gab Dewjatow die Hand und hatte endlich Gelegenheit, den Kontaktmann des amerikanischen Geheimdienstes näher zu mustern. Awdej war ein typischer Russe mit einem kantigen Gesicht, braunen kurzen Haaren, mittelgroß und gedrungen, Anfang dreißig und steckte in einem der grauenhaft sitzenden Anzüge, wie sie die Arbeiterklasse in den Kaufhäusern bekommt. Für die gehobene Schicht, die Privilegierten im Roten Reich, gab es besondere Modegeschäfte, in denen man nur gegen Spezialausweise kaufen konnte.
    »Es ist einfach, in euer Land zu kommen«, sagte Shukow und knöpfte den Uniformrock auf. Es war heiß und stickig in der Scheune. »Mir ist es ein Rätsel, warum in der Presse und in Büchern so wilde Geschichten gedruckt werden.«
    »Nicht jeder hat eine so mächtige Organisation wie den CIA hinter sich, Major.« Dewjatow holte den Koffer aus dem Kofferraum und ließ die Schlösser hochschnappen. »Das hier ist übrigens Ihre Wohnung. Ich habe die Scheune und das Land drum herum gepachtet. Ein Sonderfall. Es war nur möglich, weil ich Mitglied der Partei und zweimal ›Vorbildlicher Arbeiter‹ bin. Hier wird Sie niemand stören, wenn Sie sich tagsüber nicht blicken lassen.«
    »Awdej Konstantinowitsch, ich habe nicht die Absicht, in Winniza Urlaub zu machen.« Shukow hatte die Uniform ausgezogen und streifte jetzt eine fleckige Baumwollhose über, wie sie die Landarbeiter in dieser Gegend trugen. Dazu ein Hemd, an der Brust offen, und Schuhe mit Gummisohlen. Aus dem hohlen Uniformknopf holte er die Gelatinekapsel mit dem Gift und steckte sie in einen Hohlraum der Gürtelschnalle. Dewjatow beobachtete ihn voll Interesse.
    »Würden Sie das im

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