Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Doppelspiel

Das Doppelspiel

Titel: Das Doppelspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
Notfall wirklich schlucken?« fragte er.
    »Ja!« sagte Shukow knapp. »Haben Sie was zu trinken hier? Ich mußte im Zug den sturen Offizier spielen. Mir brennt die Zunge.«
    Dewjatow holte aus dem Auto eine Kühltasche und klappte sie auf. Sie enthielt köstlich kalte Limonade, eine russische Spezialität, zwei Päckchen mit Broten und kaltem Braten und ein 200-Gramm-Fläschchen wasserhellen Wodka.
    »Ich habe auch Eis dabei«, sagte Dewjatow. »Drei Sorten: Vanille, Schokolade und Pistazien.« Er tippte auf einen chromblitzenden Eisbehälter. »Sie wissen ja, Major, russisches Eis ist das beste der Welt. Anerkannt! Die Italiener trifft das in den Nerv.« Er lachte, schnippte den Deckel hoch und hob den Eisbehälter Shukow unter die Nase. »So duftet nicht die schönste Frau.«
    Shukow lachte zurück, setzte sich auf einen Hauklotz, der in der Scheune herumstand, klemmte den Eisbehälter zwischen die Knie, nahm einen Löffel und kratzte eine Scheibe von dem Pistazieneis ab. Es schmeckte wirklich hervorragend, sahnig und fruchtig zugleich, aber ob es das beste Eis der Welt war, konnte er nicht entscheiden. Man kann nicht alles wissen.
    »Sie sagten Frauen, Awdej. Schöne Frauen. Weiß man etwas davon, ob auch Frauen in Nowotschok sind?«
    Dewjatow hob die Schultern. »Man weiß es nicht … aber man vermutet es. Logischerweise müßten Frauen da sein, denn wenn man schon eine amerikanische Stadt nachbaut, hat das keinen Sinn, wenn man die Frauen vergißt.«
    »Eine Stadt muß doch laufend versorgt werden. Die Fahrer der Transporter müssen doch gesehen haben …«
    »Aller Nachschub kommt nur bis zur ersten Sperre. Dort werden alle Waren von Trucks der anderen Seite übernommen. Jede Woche Freitag ist das große Umladen am Elektrozaun. Wir Russen fragen nicht, wo man Fragen nicht gern hört. Hier ist Winniza, dort Nowotschok, zwei Dinge, die nichts miteinander zu tun haben. Wozu neugierig sein? Was zahlt sich dabei aus? Die Disziplin der Russen ist auch die beste der Welt, genau wie das Eis!«
    »Es ist merkwürdig, daß man in all den Jahren nicht erfahren konnte, ob dort auch Frauen ausgebildet werden. Da ist ein Loch im Bild. Ich habe die Vernehmungsprotokolle aller enttarnten weiblichen Spione gelesen. Es tauchen immer die gleichen Agentenschulen auf, die wir alle kennen. Aber nie Winniza.« Shukow schabte einen Löffel voll Schokoladeneis aus dem Behälter. »Wissen Sie, Awdej, daß Weiber in unserem Beruf klüger, kaltblütiger, raffinierter und tödlicher sind als wir Hornochsen? Wir arbeiten mit politischem Kalkül … die Weiber setzen immer ihr Herz mit ein. Und sie haben ein verdammtes Gefühl für echt oder unecht.«
    Sie aßen noch zwei Brote mit Braten, tranken ein Gläschen Wodka und versteckten die russische Majorsuniform im Boden der Scheune, unter einer Falltür, die Awdej danach wieder mit Gerümpel überbaute. »Sie können ruhig etwas schlafen, Wassja Grigorjewitsch«, sagte Dewjatow dann. »Sie sind fast vierundzwanzig Stunden auf den Beinen.«
    Shukow winkte ab. Er lag auf einigen Strohballen und rieb die Fußsohlen aneinander. Seine Augen hatten wieder den verträumten Blick, diese herzergreifende Romantik, die so täuschte. »Es muß doch irgendwo eine Stelle geben, von der man etwas von Nowotschok sehen kann«, sagte er. »Hat man denn den ganzen Fluß gesperrt? Das geht doch nicht.«
    »Was über den oberen Bug kommt, hat in Winniza Endstation und wird umgeladen auf Lastwagen oder in Eisenbahnwaggons. Dann folgt die Sperre, und erst fünf Werst südlicher ist der Fluß wieder schiffbar.« Dewjatow wickelte ein Bonbon aus und begann es schmatzend in seinem Mund umzudrehen. Es war ein Ersatz für das Rauchen; in dieser knochentrockenen Scheune ein Feuer zu machen, war fast Selbstmord. »Die Absperrung ist vollkommen. Es gibt nur einen Ort, von dem man etwas sehen kann.«
    »Also doch!« Shukow richtete sich auf. »Sofort hin!«
    »Vom anderen Bug-Ufer, von einem Hügel aus, den sie hier ›Das Kosakenkäppchen‹ nennen, kann man die vier Spitzen der Flutlichtmasten des Stadions von Nowotschok sehen. Sie haben also ein richtiges Stadion dort gebaut! Nach der Schneeschmelze habe ich versucht, mit einem Holzfloß in das Sperrgebiet zu kommen, als dummer Holzflößer, der seinen Einschlag nach Süden bringen will … kurz hinter Winniza war's zu Ende. Drei Patrouillenboote liegen im Fluß und haben mich an Land gebracht. Es ist also unmöglich, über den Fluß einzudringen. Die Boote überwachen

Weitere Kostenlose Bücher