Das Doppelspiel
Apartmenthauses. Bob sah Barryl an, daß er innerlich vor Wut kochte.
»Hier war einer zuviel!« sagte John böse, als sie allein auf der Straße standen. Am östlichen Horizont wurde der Nachthimmel bereits streifig. Eine fahlbleiche Helligkeit kroch über das Land. »Warum sind Sie mitgekommen, Bob? Es hat Sie keiner drum gebeten.«
»Wir haben den gleichen Weg, John. Gemeinsam ist alles leichter.«
»Wann ersticken Sie endlich an Ihrem Sarkasmus? Woher haben Sie eigentlich diese verflucht romantischen Augen? Zu Ihnen paßten Augen aus poliertem Stahl!«
»Von meiner Mutter, John. Sie stammt aus Gorkij. Eine wunderbare Frau. Wäre er nicht mein Vater, wäre ich auf ihn eifersüchtig, daß er so etwas lieben darf.«
»Meine Eltern sind im Urlaub bei einem Hotelbrand verbrannt. Auch ich hatte eine wundervolle Mutter. Wir stammen aus Irkutsk. Bob –«
»Ja, John?«
»Gehen wir zu mir. Wir sollten unser Zusammentreffen feiern.«
»Nicht mehr böse wegen Norma?«
»Das ist ein anderer Schuh. Jetzt sind wir unter uns Männern. Vielleicht braucht einer einmal den anderen –«
»Bestimmt!« sagte Bob Miller ruhig. »Ganz bestimmt, John!«
Sie blieben in Barryls Bungalow zusammen, bis John seine Arbeit bei Billy Rampler antreten mußte. Um zehn Uhr morgens schon ging es los, da holten sich die Bauarbeiter ihre Hamburgers zum zweiten Frühstück. Norma kam erst gegen Mittag, in den Morgenstunden stand Billy selbst hinter dem Tresen und schenkte seine Milchmixgetränke aus. Es wurde behauptet, obgleich es die gleichen Mischungen waren, die Milch von Norma schmecke besser.
»Du kannst dich auf die Couch legen, Bob«, sagte John Barryl, als er seine Alltagskleidung angezogen hatte. »Wozu noch auswandern? Wie ist dein Programm?«
»Um halb zehn ein Vortrag über das amerikanische Bankenwesen. Stinklangweilig! Graue Theorie! Wie's hinter den Glasfassaden der Banken wirklich zugeht, wissen nur Insider. Die Hälfte dürfte in einem Rechtsstaat nicht mehr frei herumlaufen.«
»Drück die Tür einfach zu, wenn du gehst.« John Barryl stülpte seine Mütze mit dem grünen Schirm auf. »Kaffee, Tee, Milch, was du brauchst, auch Eier und Speck, sind in der Küche.«
»Ich revanchiere mich, John!« Miller streckte sich tatsächlich auf der Couch aus und schob ein Kissen unter den Nacken. »Das nächstemal bist du Gast bei mir.«
John nickte, aber an der Tür zur Diele blieb er noch einmal stehen und drehte sich um. »Bist du scharf auf Norma?«
»Ja«, antwortete Miller ruhig.
»Dann sind wir Freunde und doch Gegner.«
»Genau das stimmt, John«, sagte Bob doppelsinnig.
»Eigentlich absurd, bei der Aufgabe, die auf uns wartet … Schon morgen kann Norma aus Frazertown verschwunden sein.«
»Geht das so plötzlich?«
»Die Zentrale befiehlt. Keiner weiß, wann er dran ist. Ich habe in den sieben Wochen, die ich jetzt hier bin, mindestens vierzehn Genossen über Nacht nicht mehr gesehen.« Plötzlich sprach Barryl wieder russisch. »Dafür kamen vierzehn Neue. Auch du. Es kann sein, daß wir heute abend zu Billy gehen, und in der Mittagspause ist Norma verschwunden.«
»Das ist interessant.« Miller gähnte, aber er war hellwach. »Vierzehn Genossen.« Er sprach jetzt auch russisch, mit dem unverfälschten Gorkijer Dialekt. »John, wenn einer von uns plötzlich fort muß, sollte er sich die Zeit nehmen, den anderen zu umarmen.«
»Ich heiße Andrej Nikolajewitsch.«
»Ich bin Wassja Grigorjewitsch.«
»Wie einigen wir uns über Norma?« Barryl lehnte sich in den Türrahmen. »Sie heißt übrigens Dunja Andrejewna. Billy Rampler hat es mir verraten.«
»Soll Dunja nicht selbst entscheiden?«
»Sie hat es. Heute nacht!«
»Mag sein.« Miller schloß die Augen. Er wechselte wieder in die amerikanische Sprache über. »Warten wir es ab, John. Frauen sind wie Katzen. Sie schnurren und kratzen zur gleichen Zeit.« Er gähnte wieder und streckte sich lang aus. »Verdammt, bin ich müde! Halt's Maul, John! Laß mich eine Stunde schlafen …«
Barryl lachte leise, winkte Bob zu und verließ seinen Bungalow. Ein tiefes Gefühl von Freundschaft nahm er mit. Das ist etwas wert, einen guten Kameraden zu haben, dachte er. Und ähnlich war man sich auch, in der körperlichen Stärke, im heiligen Patriotismus, in der Freude an den kommenden großen Aufgaben. Wahrhaftig, Brüder hätte man sein können. Da war es eigentlich selbstverständlich, daß man das gleiche Mädchen liebte. So verwandt sind unsere Seelen. Ja, Dunja
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