Das Doppelspiel
Milchmixgetränke mixt, liest sie zu Hause Micky Spillane …«
»Ich werde ihr ›Sexus‹ von Henry Miller rüberschicken.«
»Das schlägt sie Ihnen um die Ohren. Da wette ich zehn Dollar gegen!«
Norma Taylor starrte Miller an, als könne ihr Blick wie ein Laserstrahl töten. »Hol ihn her!« sagte sie plötzlich. John Barryl zuckte zusammen. Aus zwei Gründen. Zum erstenmal duzte sie ihn, und zum zweiten war ihre Stimme um drei Nuancen tiefer als sonst. Es war ein Klang, der ins Blut drang.
»Hierher?« fragte Barryl zurück. »Du willst ihm wirklich ins Gesicht schlagen?«
»Hol ihn sofort her, John!« Sie legte die kleinen geballten Fäuste auf die Tischplatte. »Ihr Männer fragt immer so viel!«
Barryl stand also auf und ging hinüber zur Bar. Er hätte für Norma alles getan in diesem Augenblick. Würde sie befohlen haben: Bring ihn um … er war sich nicht sicher, ob er nicht auch das getan hätte. Das ist verrückt, dachte er, als er sich gegen die Bartheke lehnte. Wir alle wissen, warum wir in Frazertown sind, wir sollen die Besten der Sowjetunion sein, die Elite, von uns erwartet das Vaterland noch Großes, wir haben eine fast heilige Aufgabe vor uns … doch dann sieht man ein Mädchen, und die Leidenschaft ist stärker als die Vernunft. Man sollte uns auch da bis zur Perfektion ausbilden, uns immun machen gegen alle weiblichen Reize. Jeden von uns einen Monat lang oder noch länger einsperren mit den hübschesten Weibern, die alle Tricks beherrschen. Erst, wer das übersteht, ist die perfekte, eiskalte Maschine, die man aus uns machen will.
Bob Miller beugte sich etwas zu John Barryl vor. »Was soll es sein, Bruder?« fragte er freundlich. »Für die Dame eine Kokosnuß?«
»Sie möchten an den Tisch kommen!« sagte Barryl gefährlich leise.
»Ich bin im Dienst.«
»Wenn's Schwierigkeiten gibt, spreche ich mit Hillmoore.«
»In diesem Fall … okay!« Bob Miller wusch sich die Hände, zog sein Barmixerjackett aus roter Seide gerade und verließ seine Theke. John Barryl ging hinter ihm her. Sie waren fast gleich groß, gleich breit, gleich schwer. Ein schönes Gebilde aus Muskeln. Er muß ein Weißrusse sein, dachte John. Vielleicht sogar aus den Ostseegebieten. Ich würde es sofort an seiner Sprache merken. Auch wenn es in Frazertown streng verboten ist – ich werde mit ihm russisch reden!
Norma Taylor blickte Bob mit den kalten Augen eines Bären an. Er stand vor ihr, groß und breitschultrig, und betrachtete ungeniert ihre fast freien Brüste in der Folklorebluse. Sie registrierte den unverschämten Blick, tat aber nichts, den Ausschnitt höher zu ziehen oder an die Haut zu drücken.
»Da bin ich«, sagte er überflüssig. »Ich heiße Bob Miller, bin 33 Jahre alt, geboren in einem Nest von New Mexiko, wo es so heiß ist, daß sich Männlein und Weiblein vorher mit Eis einreiben, ehe sie zusammen schlafen. Sie würden sich sonst miteinander verschweißen wie Kunststoffolien.«
»Sie sind ein Schwein, Bob!« sagte Barryl hinter Millers Rücken. »Eine Erzsau! Lassen Sie das auf sich sitzen?«
Bob Miller lächelte Norma nachsichtig an. »Glaubt Ihr Knabe, er könnte mich damit vor die Tür locken und Hack-hack mit mir machen? Wir leben hier in einem freien Land, und jeder brave US-Bürger darf sagen, was er denkt.« Er drehte sich zu Barryl um. Sie standen so nahe voreinander, daß ihre Nasen sich fast berührten. »Wir sind doch in Amerika, nicht wahr?«
»Man kann es übertreiben, Bob.« John Barryl spitzte erregt die Lippen. »Das Spiel hört da auf, wo es um Gefühle geht …«
»Im Gegenteil, da fängt es an.« Bob Miller ging um den kleinen Tisch herum und setzte sich an Normas linke Seite. Das war eigentlich Johns Platz, aber er verzichtete darauf, das zu reklamieren. Er holte den anderen Stuhl heran und rückte nahe an Normas rechte Hälfte. »Ich habe gelernt, daß Gefühle gefährlicher Luxus sind. Es gab da ein Lager, da wurde an uns der Dritte Grad der Vernehmung geübt. Wer mit halbwegs heiler Seele und vereistem Gehirn da herauskam, hatte Glück.« Er blickte Barryl an. »Sie waren nicht in diesem Lager?«
»Nein. Ich komme von …« Er schwieg und hob verzeihend die Schultern.
»Wir sind unter uns. Der gute Onkel Sinjonew hört nicht mit.«
»Ich war zuletzt in Frunse.«
»Das leuchtende Vorbild eines Offiziers!« Bob Miller lehnte sich zurück. Er sah Hillmoore in der Tür des Büros stehen und sie beobachten. Aber er kam nicht herüber. »Ich habe Frunse nie
Weitere Kostenlose Bücher