Das Dorf der Katzen
regelrecht.
Täuschte er sich oder schaukelte die Statue leicht hin und her? Wankte die Göttin?
Wieder durchlief ein Zittern den Boden.
Nein, das war keine Einbildung gewesen, der Boden hatte tatsächlich gezittert, und zwar stärker als beim ersten Mal.
Leises Knirschen tönte gespenstisch durch den Saal. An verschiedenen Stellen rieselten feine Putz- und Staubfahnen von der Decke.
N’gahar blickte sich um. Was geschah hier?
Hinter ihm ertönte ein schmetternder Schlag. Er fuhr herum und sah, dass das doppelflügelige Portal, durch das er hereingekommen war, mit Wucht zugeworfen worden war. Ärger stieg in ihm auf. Wer erlaubte sich hier derartige Spielchen? Etwa die Na’aar? Rebellierten diese Wüstenkäfer etwa?
Ein weiterer hallender Schlag. Die zweite der insgesamt drei Türen schloss sich ebenfalls mit Gewalt.
Ein feines Lachen ertönte in seinem Kopf.
„Willkommen in meinem Tempel!“
Sachmet?
„Was willst du von mir?“ Er rief seine Frage in provokantem Tonfall, ohne jede Ehrerbietung. Warum auch?
„Willst du mich beeindrucken mit den paar letzten kleinen Zuckungen, zu denen du noch fähig bist. Mit ein paar Erdstößen und Türenknallen?“
Er hatte jetzt die Hände in die Hüften gestemmt.
„Ja, ich will dich beeindrucken, oh du mein Hoherpriester!“
„Ach ja? Da braucht es aber wirklich mehr als dies und auch das!“ N’gahar fuchtelte mit den Armen nacheinander in Richtung der zwei geschlossenen Türen.
„Zum Beispiel so etwas?“
Die Statue richtete ihre aus Elfenbeinkugeln gefertigten Augen mit den grünen Irisringen und den Pupillen aus schwarzem Obsidian direkt auf ihn.
N’gahar erstarrte in seinen Bewegungen. Er gab ein groteskes Bild ab. Ein Arm wies noch mit ausgestrecktem Finger auf das Doppelportal, der andere hatte die Robe leicht gerafft, damit der Ausfallschritt möglich gewesen war, in welchem er jetzt wie eingefroren immer noch stand. Sein Kopf war der Statue zugewandt. Er stierte Sachmet ins Gesicht, sein Mund stand offen.
Er konnte nicht fassen, was er sah.
Sachmet hatte ihm den Blick zugewandt, fixiert ihn durchdringend!
Die Uräusschlange wand sich träge züngelnd um die Sonnenscheibe.
N’gahar erwachte aus seiner Starre. Mit einem heiseren Schrei rannte er zu dem Doppelportal und wollte es öffnen. Die Flügel bewegten sich nicht einen Millimeter, das Portal war wie zugeschweißt, obwohl es kein Schloss hatte. Nachdem er mehrmals vergeblich an den kleinen Krokodilfiguren gerüttelt hatte, die als Türgriffe dienten, gab er es auf und rannte zur zweiten Tür. Ebenfalls verschlossen! Er drehte sich um und wandte sich zur dritten Tür, die noch einladend weit offen stand.
Mit wehender Robe durcheilte er den Saal, als wieder das feine Lachen in seinem Kopf ertönte.
„Tertharan-mun, du willst doch nicht etwa schon wieder gehen? Bleib doch noch ein wenig!“
Mit einem hallenden Krachen schloss sich die dritte Tür.
Schlagartig ernüchtert blieb er abrupt stehen. Er blickte mit plötzlich aufkeimendem Zorn zu Sachmet auf. Dieses verdammte Götterweib spielte hier mit ihm, hatte es tatsächlich geschafft, ihm kurzfristig Angst zu machen. Kalkrieseln, Türenknallen und Augenrollen! Wahrlich ein gespenstisches Repertoire, aber nicht mit ihm. Wie konnte er nur auf diesen Hokuspokus hereinfallen! Wütend stapfte er zu der Statue zurück und baute sich provozierend vor ihr auf.
„Einen Dreck werde ich tun! Du lässt mich sofort hier raus, öffne sofort die Türen, sonst…“
„SONST WAS?“
Die Statue bewegte sich!
Sie beugte sich vor!
Sie griff nach ihm!
N’gahar versuchte auszuweichen, zurückzuspringen, aber das Entsetzen lähmte seine Bewegungen.
Sachmet griff zu.
N’gahar fand sich in ihrer Hand wieder, wurde hoch gehoben und hing schließlich in sechs Metern Höhe vor ihrem Gesicht.
Er wand sich verzweifelt, aber der Griff der steinernen Hand war unerbittlich. Über ihm zischte drohend die Uräusschlange.
„Halt still, oder sie beißt zu.“
N’gahar sah ein, dass es zunächst besser war, dieser Aufforderung nachzukommen.
Seine Gedanken rasten. Das konnte nur ein letztes Aufbäumen Sachmets sein, bevor er sie endgültig unter seine Fuchtel zwang. Sie bluffte, eine andere Erklärung gab es nicht!
Er beschloss, ihr zu zeigen, dass er nicht darauf hereinfiel.
„Lass mich sofort los! Ich befehle dir, mich frei zu geben. Ich und meine Priester werden ab sofort hier das Sagen haben, und du wirst noch weniger sein, als
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