Das Dorf der Katzen
lächelte.
Wenigstens noch ein Mensch außer Nikola, der hier normal mit ihr sprach.
Er lächelte zurück.
„Nein, ich bin Student an der Athener Universität. Geologie und Anthropologie. Ich bin heute hier angekommen, um auf der Insel bestimmte Studien durchzuführen. Ich vermesse die Insel im Rahmen einer Diplomarbeit neu, speziell das flache Gebirge im Inselinneren, Sie verstehen?“
„Wo sind Sie denn angekommen?“, fragte Vera. Sie hatte während ihres ganzen Strandtags kein Schiff in Illasandria einlaufen sehen.
Er machte eine Kopfbewegung. „Drüben, in Choriogatos. Dort wohne ich auch. Heute und morgen bin ich hier in der Gegend von Illasandria.“
„Kennen sie einen Mann, ungefähr ihr Alter, einsachtzig groß, schlank, dunkle Haare? Er trägt gerne unaufgefordert einsamen Frauen den Koffer vom Hotel aufs Schiff und bezahlt ihre Rechnungen. Außerdem hat er einen Kater als Bodyguard dabei!“
Vera konnte nicht anders. Irgendetwas an diesem Mann reizte sie, ihn zu necken.
Er blieb ihr nichts schuldig. „Sicher! Das ist mein neurotischer Zwillingsbruder!“
Er sah sie aus dunklen Augen an. Aus sehr dunklen Augen und vor allem einen Tick zu lange und zu intensiv, fand Vera. Täuschte sie sich, oder war da so etwas wie Interesse in seinem Blick, das über Muttermale hinausging? Versuchte dieser griechische Apoll einen Flirt mit ihr?
Sie beschloss, bei Gelegenheit vielleicht auf das Spiel einzugehen. Ein kleiner Urlaubsflirt konnte schließlich nicht schaden.
„Zurück zum Thema“, sagte sie, um sich selbst wieder einzunorden. „Was habe ich an mir, das diese Menschen da draußen gegen mich aufbringt?“
Seine Augen wurden eng. „Da gibt es etwas, das Sie vielleicht wissen müssen“, sagte er.
Jetzt mischte sich Nikola ein. „Junge, wenn Sie diese Schauergeschichte meinen, die hier auf der Insel kursiert, dann möchte ich Sie bitten, meinen Gast damit zu verschonen!“
ΦΦ ΦΦ
Warad-al-hif liebte seinen Beruf. Er liebte das Risiko und die Gefahr, vor allem aber liebte er die reichlichen Einnahmen.
Als Chef einer berüchtigten Räuberbande in den Straßen von Port Said befehligte er fast hundert Männer, und jeder von ihnen war ihm gegenüber zur Abgabe eines Teils der Beute verpflichtet.
Er brauchte sich schon lange nicht mehr die Hände richtig schmutzig machen, aber ganz konnte er doch nicht von den alten Gewohnheiten lassen und so zog er ab und zu im Kreis einiger ausgewählter Männer selbst los, um die Straßen von Port Said heimzusuchen.
So auch heute wieder. Er hatte noch in der Runde derjenigen Männer, die ihn später begleiten und vor allem auf seine Sicherheit achten würden, lange und gut zu Abend gegessen. Es war bereits nach Mitternacht, als er das Signal zum Aufbruch gab.
Jetzt waren schon die ersten angetrunkenen Nachtschwärmer unterwegs. Leichte Beute, die sich nicht großartig wehrte und bei der man abgreifen konnte, ohne sie gleich umbringen zu müssen.
Wie gesagt, so richtig schmutzig wollte sich Warad-al-hif dann doch nicht mehr machen.
Es war kurz vor ein Uhr, als er mit seinen fünf Leibwächtern in der Nähe des Hafens das Viertel erreichte, wo besonders viele Lokale und Nachtclubs und damit besonders viele Nachtschwärmer anzutreffen waren. Matrosen auf Landurlaub, Geschäftsleute bei „Arbeitsessen“ und ähnliche lohnende Objekte.
Warad-al-hif postierte seine Männer in zwei Seitenstraßen verteilt, in Bereitschaft, jederzeit einzugreifen, falls ihr Chef Probleme bekommen sollte. Er selbst stellte sich an eine Straßenecke und tat, als sei er ein angetrunkener Passant. Ahnungslos Vorbeigehende wurden von ihm urplötzlich unsanft gepackt, in die angrenzende Seitenstraße gezerrt und mit vorgehaltener Waffe um ihre Barschaft, Uhren, Schmuck und manchmal auch Bekleidung gebracht.
Machte das Opfer Probleme oder versuchte gar eine Gegenwehr, genügte ein leiser Pfiff und mindestens einer der anderen Männer war zur Stelle und überzeugte das Opfer mehr oder weniger nachdrücklich von der Aussichtslosigkeit solcher Versuche.
Heute Abend liefen die Geschäfte schlecht. Warad-al-hif war unzufrieden: Nur ein Matrose war ihm bisher in die Fänge geraten und der hatte fast seine ganze Heuer schon versoffen und anderweitig durchgebracht. Er wollte schon das Signal zum Aufbruch und zur Rückkehr ins Quartier geben, da erschien im Licht der einzigen Straßenlaterne weit und breit ein einsamer Mann. Warad-al-hif taxierte ihn unauffällig, aber mit
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