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Das Dorf der Katzen

Das Dorf der Katzen

Titel: Das Dorf der Katzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Fritz
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ausgesprochen hungrig kam sie am späten Nachmittag wieder in den Ort zurück.
     
    Sie fühlte es. Etwas in diesem Ort hatte sich in den letzten Stunden verändert. Sie konnte es nicht konkret sagen, aber es herrschte eine irgendwie ungute Stimmung.
    Elke hätte „negative vibrations“ gesagt.
    Eine alte, schwarz gekleidete Frau schlurfte ihr gebückt entgegen.
    Vera grüßte höflich, wie sie es am Vorabend von Jack und Nikola gelernt hatte. „Kali sperassas!“
    Die Frau blickte zu Boden, beschleunigte ihre mühsamen Schritte, murmelte etwas, bekreuzigte sich und eilte ohne noch einmal aufzublicken, an ihr vorbei.
    Zwei alte Männer, die wieder an der Hafenmauer fischten, blickten so bemüht zur anderen Seite, als Vera an ihnen vorbeiging, dass sie es schon als beleidigend empfand.
    Einer der Männer spuckte hinter ihr geräuschvoll ins Wasser.
    Sie verstand.
    Das hatte ihr gegolten.
    Die restlichen hundert Meter zur Taverne kamen ihr wie ein Spießrutenlaufen vor. Es gab mehr als eine Spitzengardine, die verstohlen zur Seite geschoben wurde, um einem Augenpaar dahinter den Blick frei zu geben.
    Vera beschleunigte ihre Schritte und kam schließlich fast im Laufschritt in der Taverne an, wo sie in der Gaststube ihre Badetasche auf den Boden fallen ließ und sich aufatmend auf den nächsten Stuhl setzte.
    Nikola stand hinter dem Tresen und bereitete kleine Vorspeisenteller, meze, für die Abendgäste vor. Sie blickte auf, als Vera hereinplatzte.
    „Na, schönen Tag gehabt?“, fragte sie.
    Vera seufzte. „Teils, teils“, sagte sie, „am Strand ist es genial, aber der Weg dahin und wieder zurück hat es in sich!“
    Nikola zog fragend eine Augenbraue hoch. Vera erzählte ihr die Vorfälle vom Morgen und von soeben.
    „Was, bitteschön, heißt ‚Magissa’?“, wollte sie schließlich wissen.
    „Hexe!“, sagte Nikola kurz und bündig.
    Vera wäre fast vom Stuhl gekippt.
    „Hexe? Die halten mich für eine Hexe? Shit, warum denn?“
    „Darum“, sagte Nikola und zeigte auf Veras rechten Oberarm, so wie das Mädchen am Morgen.
    Vera lachte humorlos. „Wegen eines zugegebenermaßen etwas großen Muttermals? Sind wir hier im Mittelalter? Was würden die erst sagen, wenn ich eine fette Warze auf der Nase und einen Buckel hätte?“
     
    „Vermutlich gar nichts“, sagte eine Männerstimme hinter ihr, „Buckel und Warzen sind hier nichts Ungewöhnliches!“
    Vera fuhr herum.
    Hinter ihr war ein junger Mann zur Tür hereingekommen.
    Vera taxierte ihn mit geübtem Nightlife-Blick: Anscheinend Grieche, vielleicht auch Türke. Groß, schlank, ausgesprochen sportliche Figur. Dunkle, halblange, gelockte Haare. Ein Zweitagebart im ausdrucksstarken Gesicht. Legere Kleidung. Eine Sonnenbrille in den Hemdausschnitt gehängt. So um die Mitte oder Ende Zwanzig. Insgesamt gepflegte Erscheinung. Nicht schlecht. Gaaar nicht schlecht!
    „Und Muttermale schon?“, wollte Vera wissen.
    Ihr war gar nicht bewusst geworden, dass dieser junge Mann ebenfalls ein hervorragendes Deutsch sprach. Sie hatte sich schon direkt daran gewöhnt, dass die griechische Jugend eine offensichtlich ganz ausgezeichnete Schul- und Sprachausbildung hatte.
    „Für gewöhnlich auch nicht“, sagte der Unbekannte, „außer, sie sehen so aus, wie dieses!“
    Er zeigte auch auf ihren Oberarm.
    Vera wusste, was da war, aber unwillkürlich blickte sie auf die bewusste Stelle.
    Sie sah, wie schon unzählige Male vorher, ein Muttermal. Genauer gesagt, zwei dicht beieinander liegende Muttermale, jedes in Form eines Halbmonds und etwa so groß wie eine Zwei-Euro-Münze.
    Als Kind war Vera wegen der Muttermale gehänselt worden, als Teenager hatte sie Komplexe ihretwegen gehabt und als Erwachsene hatte sie sich schließlich mit ihnen arrangiert. Sie waren einfach ein Teil von ihr. Basta.
    Und jetzt machte plötzlich ein ganzer Ort einen Bogen um sie, weil sie diese Muttermale hatte?
    Der Blick, mit dem sie zu dem immer noch vor ihr stehenden Mann aufsah, war reichlich verständnislos.
    „Entschuldigung“, sagte der und zog einen Stuhl heran, auf den er sich setzte. „Ich habe mich nicht vorgestellt.
    Mein Name ist Ioannis. Ioannis Kostanidis.“
    Er streckte ihr die Hand hin.
    Vera war bei diesem Namen zusammengezuckt. War das der Ioannis, den sie von Mr. Unbekannt grüßen sollte?
    Sie schüttelte die hingehaltene Hand. „Vera Kremser“, sagte sie. „Sind Sie Spezialist für die hiesige Bedeutung von Muttermalen und Warzen?“ Sie

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